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111 Skibergsteiger gingen beim Jennerstier an den Start bei der Mittelstation. Viele weitere Bilder vom Jennerstier gibt es unter www.berchtesgadener-anzeiger.de. Fotos: Anzeiger/Wechslinger
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Toni Palzer aus Ramsau war auch heuer am Jenner nicht zu schlagen.

Toni Palzer packt den Jennerstier bei den Hörnern

Schönau am Königssee – Der Jennerstier hat sich längst zum prestigeträchtigsten Skitourenrennen in Deutschland entwickelt. In diesem Jahr ging es am Jenner neben der deutschen Meisterschaft sogar um die Titelkämpfe der Niederländer und Belgier. Es war schon fast eine Selbstverständlichkeit, dass der Ramsauer Toni Palzer als Erster ins Ziel kam. Schnellste Dame war Steffi Koch-Klinger aus Anger.


Aufgrund der geringen Schneelage und damit einer subjektiven Gefahr für die Skibergsteiger entschlossen sich die Veranstalter, die Abfahrt vom Jenner durch den Spinnergraben nur bis zum Spinnerkaser durchzuführen, weil die weitere Strecke über die Jennerwiesen zu gefährlich gewesen wäre. Die Teilnehmer bewältigten nach dem Start bei der Mittelstation eine Strecke über gut 650 Höhenmeter, fuhren sodann zum Spinnerkaser ab und stiegen nochmals etwa 350 Höhenmeter bis zur Bergstation auf, wo sich das Ziel befand. »Beim Jennerstier können sich Hobbysportler mit Weltmeistern messen«, fasste der Chef des Organisations-Komitees, Bernhard Kühnhauser, die Faszination des Wettkampfes schon im Vorfeld zusammen.

Bei Winterwetter mit Temperaturen um null Grad, Bewölkung und teilweise leichtem Schneefall fanden sich neben den 111 Aktiven, darunter 17 Berchtesgadener, auch viele Zuschauer im Startbereich, der Wechselzone, auf der Strecke und im Ziel ein. Rennleiter Richard Lenz klärte das Teilnehmerfeld kurz vor dem Start zunächst in englischer Sprache und dann in »boarisch« über den Streckenverlauf auf und mahnte, bei der Abfahrt aufzupassen.

Gleich nach dem Startkommando setzten sich die Besten vom übrigen Feld ab. Toni Palzer führte den »Skiwurm« auf den Jenner an, dahinter folgte sein größter Widersacher Sepp Rottmoser aus Rosenheim. Der sportliche Leiter des Skitouren-Teams Berchtesgaden, Helmut Stutz, zeigte sich mit der Veranstaltung sehr zufrieden. »Man muss Rennleiter Richard Lenz loben, der eine Superspur auf den Jenner gezogen hat. Es ist bei hochalpinen Rennen nicht immer so. Dieses Rennen hat als eines von wenigen einen echten alpinen Charakter. Vor allem die Abfahrt durch den Spinnergraben ist spektakulär«.

Dies sieht auch der ehemalige Straßenradprofi Markus Attig vom SC Immenstadt so, der sich nach dem Ende seiner Laufbahn als Radfahrer voll und ganz dem Skibergsteigen verschrieben hat. »Ich kannte den Jenner vom letzten Berglauf, da ist es mir als Drittem recht gut gegangen. Aber ich war noch nie im Winter hier. Für mich sind Erfahrungen wie am Jenner ein Lernprozess. Auf jeden Fall ist das eine tolle Veranstaltung in hochalpinem Gelände«.

Im oberen Teil des Spinnergrabens wurden die Tourenski abgeschnallt. Es folgte eine Tragepassage bis in den Jennergipfelbereich, ehe die wilde Abfahrtshatz durch den Spinnergraben folgte. Auch im Spinnergraben zeigten sich die Unterschiede zwischen perfekten Abfahrern und eher Vorsichtigen, denn nicht alle, die schnell hinauf kommen, beherrschen auch die Abfahrt wie zum Beispiel ein Sepp Rottmoser, der es gehörig krachen ließ. Rottmoser würde sich auch eine längere Abfahrt, am liebsten zwei Abfahrten wünschen, denn beim Abfahren kann Rottmoser natürlich Zeit gewinnen. Dabei hatte sich der Rosenheimer beim Aufsetzen seiner Skibrille im oberen Teil sogar etwas verfahren, kam aber nach einer Querfahrt zurück auf die Strecke. Das Gefährliche bei der Abfahrt waren Eisplatten und Lawinenstücke unter der lockeren Pulverschneeauflage. Dennoch musste die Bergwacht nicht eingreifen.

Nach dem ersten Anstieg konnten sich die Zuschauer im Bereich der Bergstation einen guten Überblick über den Stand des Rennens verschaffen. Palzer führte bereits knapp vor der Halbzeit mit einem kleinen Vorsprung das Geschehen an: »Ich hatte beim ersten Anstieg Probleme, den Rhythmus zu finden, es fiel mir unheimlich schwer. In der Abfahrt war ich recht schnell, ich habe es richtig fliegen lassen, weil ich ja meinen Freund Sepp Rottmoser im Nacken spürte. Der zweite Anstieg ist gut gelaufen, so wie ich mir das vorgestellt habe«, befand Palzer nach dem Rennen.

Der Ramsauer räumte jedoch auch ein, dass die Saison bereits lange läuft und er gerade auch letzte Woche bei den Europameisterschaften viel Kraft gelassen habe. »Ich muss jetzt auf mich aufpassen und etwas regenerieren, dann greife ich beim nächsten Weltcup wieder voll an«, erklärte Palzer.

Gut gelaufen ist es auch für das Skibergsteiger-Urgestein Franz Graßl (Moarei) aus der Ramsau, der mit seiner Leistung sehr zufrieden war und nur einen Österreicher knapp vor sich hatte. Graßl hatte mit den zirka 1 000 Höhenmetern keine Probleme, ging es doch zuletzt bei den Rennen zumeist doppelt so weit bergauf. Im ersten Anstieg ging Franz Graßl in einer Fünfergruppe: »Da hat man ohnehin keine Chance zu überholen. Aber nach der schnellen Abfahrt hatte ich beim zweiten Aufstieg noch ein paar Körner«.

Toni Palzer war so schnell am Jenner, dass sogar der Ansager überrascht war, der nicht den besten Platz für seine Moderation eingenommen hatte. Der Juniorenweltmeister holte sich damit vor Sepp Rottmoser aus Rosenheim neuerlich den deutschen Meistertitel, den sich bei den Damen Steffi Koch-Klinger aus Anger sicherte. Bei den Junioren lag der Oberauer Simon Kurz vom Martini Team Germany voran.

Rennleiter Richard Lenz, der den Jennerstier zum Leben erweckt hat, erhofft sich eine Weiterentwicklung, die einmal von einem Weltcup gekrönt werden soll. »Mein Traum vom Weltcup lebt trotz gewisser Widerstände. Ich möchte diesen tollen Sport ganz einfach weiter nach vorne bringen, weil es die Sportler verdienen. Zudem ist Berchtesgaden eine Skibergsteiger-Hochburg. Gerade für unsere Region wäre eine weitere Sportvariante wichtig. Einen Alpinweltcup werden wir wohl nicht mehr bekommen, aber einen Weltcup im Skibergsteigen können wir schaffen«, befand Lenz, der sich für die Zukunft Start und Ziel bei der Mittelstation vorstellt.

Bernhard Kühnhauser von der Sektion Berchtesgaden des Deutschen Alpenvereins lobte bei der Siegerehrung im Hotel »Bergheimat« die vielen Helfer für ihren ehrenamtlichen Einsatz. Schon jetzt freut man sich auf den 10. Jubiläums-Jennerstier im nächsten Jahr. Christian Wechslinger