Zu Beginn ihrer Tätigkeit gab es noch keine verbindlichen und schriftlich fixierten Verfahrensanweisungen für die Mitarbeiter des Jugendamtes, begann sie ihren Vortrag. So wurde in Arbeitsgruppen der Mitarbeiter unter Zuhilfenahme von Fachliteratur und Gesetzesvorgaben ein »Handbuch für den Kinderschutz« erarbeitet, das nicht nur wichtige Informationen zum Thema, sondern auch Arbeitsmaterial für Kindergärten und Schulen enthält. Auf der Homepage des Landratsamtes ist es unter dem Suchbegriff »Handbuch für den Kinderschutz« zu finden, jeder kann es dort kostenfrei herunterladen.
Zunächst wurde der Begriff »Kindeswohlgefährdung« definiert: Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes durch das Tun oder Unterlassen der Eltern oder Dritter gravierende Beeinträchtigung erleidet.
Im Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes wird festgelegt: »Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.« Davon leitet sich der Begriff des »Wächteramts« des Jugendamtes ab. Der Begriff »staatliche Gemeinschaft« beinhaltet aber auch alle Personen, die an Kindertagesstätten, Schulen und an sonstigen Einrichtungen mit Kindern arbeiten, und auch jeden erwachsenen Bürger.
Doch was geschieht, wenn die Eltern ihre Pflichten nicht erfüllen oder erfüllen können oder Meldungen aus dem Umfeld von Kindern im Jugendamt eingehen und dadurch eine mutmaßliche Kindeswohlgefährdung bekannt wird? Jeder Bürger, der sich Sorgen um das Wohl eines Kindes macht, kann, auch anonym, im Jugendamt anrufen und seine Beobachtungen den Mitarbeitern des Allgemeinen Sozialdienstes mitteilen. Jede Meldung hat zeitnah die immer gleichen Arbeitsschritte (im verpflichtenden Vieraugenprinzip) des Jugendamtes zur Folge: Der Inhalt der Meldung wird unmittelbar nach Eingang mit Kollegen besprochen. Dann erfolgt eine erste Einschätzung der Dringlichkeit des Handelns.Der Fall wird der Leitung oder dem Fallteam vorgestellt und der nächste Handlungsschritt besprochen. Das Ergebnis der Einschätzung kann sowohl ein Anschreiben an die Eltern als auch in dringenden Fällen die sofortige persönliche Inaugenscheinnahme des Kindes bei einem Hausbesuch durch zwei Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialdienstes (ASD) erfordern. Alle Arbeitsschritte werden fortlaufend dokumentiert, sodass sie jederzeit nachvollziehbar sind. Nach abschließender Bewertung der Erkenntnisse, dies umfasst u.a. Hausbesuch, Gespräch mit Eltern, Schule oder Kindergarten, wird eine Kindeswohlgefährdung festgestellt oder ausgeschlossen.
Verschiedene Optionen bei Kindeswohlgefährung
Bleibt der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung weiterhin bestehen, gibt es für den ASD verschiedene Optionen, dem entgegenzuwirken und dem Kind mit der Familie ein weiteres Zusammenleben zu ermöglichen, dies sind: Beratungstermine bei der Erziehungsberatungsstelle,sozialpädagogische Familienhilfen,Erziehungsbeistandschaften sowie sonstige am Bedarf orientierte gesetzlich vorgesehene Hilfsmaßnahmen.
Sollte jedoch eine akute Kindeswohlgefährdung erkannt werden, kann eine sofortige Inobhutnahme des Kindes erforderlich werden (Paragraf 8a SGB VIII Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung ). Hierbei ist immer (innerhalb von 48 Stunden) das Familiengericht in Laufen zu beteiligen, das Gericht entscheidet letztendlich ob das Kind in Obhut des Jugendamtes bleibt oder – unter bestimmten Bedingungen – zu den Eltern zurückkehrt.
Ute Schöbel stellte die Abläufe an anonymisierten Beispielen aus dem praxisnahen Arbeitsalltag des ASD dar. Vielschichtige Fragen aus dem Kreis der Zuhörer beantwortete die Referentin direkt während des Vortrags bzw. in einer sich daraus ergebenden interessierten Diskussion.
Zum Ende der Veranstaltung bedankte sich Gisela Kaniber bei Ute Schöbel mit einem Geschenk für den informativen Einblick in die Arbeit des Allgemeinen Sozialdienstes des Jugendamtes. Ihr Schlusssatz lautete: »Jedes Kind, jeder Jugendliche hat das Recht auf Schutz. Deswegen wünsche ich jedem von uns den Mut, hinzuschauen, hinzuhören, nachzufragen, wenn man sich um ein Kind Sorgen macht, und (auch anonym) beim Jugendamt anzurufen und das Gespräch zu suchen.« fb