Seinem Anspruch als »Ort der Begegnung« wurde der »Kulturhof Stanggass« am Donnerstag schon einmal gerecht. Für alle Festgäste – Kommunalpolitiker, Tourismusexperten, Planer, Firmenvertreter sowie Weggefährten und Freunde der Familie Wimmer – blieb zwischen 14 und 24 Uhr genügend Zeit zum Ratschen. In bunt gemischten Gruppen folgte man den Experten bei der Führung übers Gelände, traf sich zum »Z'samm kemma« in der gemütlichen Bar und ließ den Tag in geselliger Runde mit kulinarischer Verwöhnung und guter Unterhaltung im Festsaal ausklingen.
Fast pünktlich auf den Tag war man mit den Bauarbeiten fertig geworden. Bei den Führungen sah man noch einige weniger Arbeiter, die letzte Absturzsicherungen anbrachten und mit Baggern das Gelände einebneten. Ansonsten sind alle Anlagen nach dreiwöchigem Testbetrieb bestens vorbereitet für die offizielle Betriebsaufnahme. Die Rundgänge am Donnerstag starteten vor dem Haupteingang, wo den Besuchern an der Frontfassade Ornamente in Rautenform ins Auge stachen. Den Umgang mit Ornamenten, die an verschiedenen Stellen immer wieder auftauchen, hatte bereits das frühere Hotel »Geiger« praktiziert. Im »Kulturhof« sollen die Dreiecke den Watzmann darstellen.
Ein paar Meter weiter bestaunten die Festgäste im Biergarten gleich einmal die riesigen Tische und Bänke. Sie bestehen aus zehn Zentimeter starken und zwölf Meter langen Tischplatten aus Eiche, die aus einem einzigen Stamm gefertigt sind. Damit es spätestens im Frühling echtes Biergartenflair gibt, stehen auch sechs Kastanienbäume bereits an Ort und Stelle – freilich zu dieser Jahreszeit noch ohne Blätter.
Dahinter gibt es das Seminargebäude, das auch eine ganz banale Funktion hat. Es schützt nämlich die Hotelanlage vor dem Straßenlärm. Die dahinter über dem Freigelände liegenden Hotelzimmer sind zum Göll und zum Kehlstein hin ausgerichtet, weil auch das mehr Ruhe bringt. Ins Seminargebäude wird unter anderem Jens Baduras Denkwerkstatt von Creative Alps einziehen. Die Spalierfassaden vor den verglasten Flächen dienen dem Sichtschutz – sie sind quasi Filter zwischen dem Biergarten und dem Inneren des Seminargebäudes.
Keine Chalets, sondern Stadelgebäude
Dahinter geht es über die Freifläche hinauf zu den Stadelgebäuden. »Wer sie als Chalets bezeichnet, dem reiß ich den Kopf ab«, wandte sich Bauherr Dr. Wimmer scherzhaft an die Besucher. Die Planer betonnen nämlich, dass es sich dabei nicht um eigene Einheiten mit Küche handelt, sondern die Gebäude ans Hotel angegliedert sind. Die fünf Stadel enthalten insgesamt zehn großteils familientaugliche Zimmer.
Von hier sieht man nicht nur weit hinaus in die Berge, sondern auch hinunter zur Hügelkuppe, wo es künftig Trauungen im Freien geben wird. »Das ist ein echtes Highlight, quasi der schönste Platz auf dem Gelände«, sagte Architekt Stefan Kohlmeier. Die Hügelkuppe ist nur einer von vielen Treffpunkten auf dem gesamten Gelände. Dass sie weit auseinander liegen, ist gewollt. Man wollte Wege erzeugen, damit möglichst viele Begegnungen stattfinden können. Einheimische, Gäste und »Kulturhof«-Beschäftigte können dadurch leichter miteinander ins Gespräch kommen.
So ein Treffpunkt kann auch der unterhalb liegende Naturteich mit der benachbarten kleinen Sauna sein. Von hier führte der Rundgang rund um das Hotel mit seinen 24 Zimmern und dem Gourmetrestaurant »Solo Du«. Wie die anderen Gebäude besteht auch das Hotel zum Großteil aus mondgeschlagenem Lärchenholz. Nur wo Hanganschnitte erforderlich waren, steht der Holzaufbau auf einem Betonsockel. Denn Nachhaltigkeit wird im »Kulturhof« großgeschrieben. Für die Materialien, die man im Erdreich verbaute, wurde beispielsweise der Bauschutt vom abgebrochenen Hotel »Geiger« geshreddert und als Recyclingmaterial verwendet. Die Dämmung in den Holzwänden besteht aus recyceltem Altpapier.
Zwischen Hotel und Festsaal gibt es auf der Rückseite der Gebäude noch einen Innenhof mit kleiner Bühne und Cortenstahl-Trögen, der unter anderem für Kulturveranstaltungen genutzt werden kann. Weit oben am Hang erspäht man eine Hutschn. Das Motiv der Schaukel mit Watzmann und »Kulturhof« im Hintergrund soll, so hoffen die Verantwortlichen, die Leute zum Posten der Bilder in den sozialen Medien animieren. Darunter am Hang entlang hat man eine hölzerne Regenrinne errichtet. Sie transportiert frisches Quellwasser in ein Becken im Innenhof.
Philosophie der Nachhaltigkeit
Den Rundgang schloss das Nebengebäude mit Glashaus (Gewächshaus) und Yogastudio, das Susanne Obermaier betreibt, ab. Der Fußboden im Studio besteht aus Eschenholz von Bäumen, die einst auf dem »Geiger«-Grundstück standen. Im Untergeschoss befindet sich neben Lagerräumen auch das Hackschnitzellager für die Heizung. Denn auch die Energieversorgung der Anlage soll möglichst nachhaltig sein. So gibt es darüber hinaus Solarkollektoren für Warmwasser und Strom, die überschüssige Energie der Kühleinrichtungen wird an einen Pufferspeicher abgegeben.
Ob die Parkplätze für Besucher und Mitarbeiter ausreichen, wird die Zukunft zeigen. Zu viele sind es wohl nicht. Auch die Wohnraumbeschaffung für die Mitarbeiter erfordert einiges an Anstrengung. Dafür hat Bauherr Dr. Bartl Wimmer die »Villa Askania« und den Berchtesgadener Gasthof »Waldluft« erworben. Die Führungskräfte in Hotel und Gaststätte lernte man am Donnerstag schon einmal kennen: Florian Wimmer (Geschäftsführer), Miriam Wimmer (Objektgestaltung), Nuri Irshaid (Hoteldirektor), Sabine Henninger (Veranstaltungsmanagement), Sternekoch Norman Beitz (Küchendirektor), Raphael Mader (Serviceteam) und Sophie Ambrosch (Rezeption).
Einen »Kollektivdank« an alle am Bau Beteiligten sprach Bauherr Dr. Bartl Wimmer anschließend im großen Festsaal, der Platz für 250 Besucher bietet, aus. Die verglaste Front bietet von hier aus einen prächtigen Blick auf die Berchtesgadener Bergwelt. Wimmer beschrieb noch einmal seine Philosophie, die hinter dem Bau steckt. Vor dem Hintergrund des gewaltigen Raubbaues an der Erde setzt er auf »enkeltaugliches, nachhaltiges Wirtschaften«. Darüber hinaus wollte er ein Haus schaffen, in dem »viel Leben stattfindet, in dem diskutiert und auch gestritten wird«.
700 Kubikmeter heimisches Holz
Bevor die Architekten Manfred Brennecke und Stefan Kohlmeier von »Arc Architekten« dem Bauherrn offiziell den Schlüssel überreichten, stellte Brennecke noch einmal die Besonderheiten des Baues heraus. Alle Gebäude stehen nach seinen Worten im Bezug zueinander, die Wege kreuzen sich, es entstehen informelle Treffpunkte. Landschaft und Gebäude gehen eine Symbiose ein. Brennecke verwies auf die Eigenschaft des Holzes als CO2-Speicher. In dem Bau sind 700 Kubikmeter heimisches Holz verbaut. Von den 60 am Bau beteiligten Firmen kommt die Hälfte aus dem Landkreis, drei Viertel der Firmen sind weniger als 100 Kilometer entfernt. Brenneckes besonderer Dank ging an Peter Plenk vom Architekturbüro Eva Kurz für die »umsichtige Bauleitung«.
Die überregionale Bedeutung des »Kulturhofs Stanggass« hob Landrat Bernhard Kern in seiner Rede heraus und bezeichnete das Projekt als Ort zum »Reden und Durchatmen«. Er bedankte sich genauso für das Engagement Wimmers wie Bischofswiesens 2. Bürgermeister Thomas Resch und zollte der ganzen Familie Wimmer Respekt für diese Leistung. Vor allem freute sich Resch darüber, dass die Familie Wimmer den Bischofswieser Vereinsfahnen eine neue Heimat gebe. Deren Vertreter bedankten sich auch persönlich beim Bauherrn und vonseiten der Almbauern gab es als Einstandsgeschenk eine Fuikl.
Als letzter Redner ergriff Bürgermeister Hannes Rasp für den Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden das Wort. Er hob den Mut des Bauherrn Wimmer hervor und gab ihm zehn gute Wünsche, symbolisiert durch zehn Schnapsgläser, mit auf den Weg. Nach einem exklusiven Festmenü, bei dem die Küche um Sternekoch Norman Beitz ihr Können zeigte, kam die große Stunde der »Well-Bappn« um Hans Well. Die Kabarett-Kombo baut in ihr Programm traditionellerweise lokale Themen ein. Auch im »Kulturhof« machte man sich unter anderem über die zahlreichen Straßensperrungen und die explodierenden Immobilienpreise lustig. Da lachten die Berchtesgadener doch gerne über sich selber.
Ulli Kastner