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Filialleiterin Dr. Andrea Carvakapa (r.) mit einer Kundin.

St. Georg-Apotheke bleibt weiter bestehen

Bischofswiesen – Zwei Apotheken haben in jüngerer Vergangenheit im Talkessel geschlossen, die Watzmann- und die Panorama-Apotheke. Nun sollte die St. Georg-Apotheke in Bischofswiesen folgen. Sie hat nicht mehr den Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung entsprochen.


Pharmazeutin Ulrike Fellner, vielen bekannt als Inhaberin der Bahnhof-Apotheke, wollte ein weiteres Apothekensterben im Talkessel verhindern. Also kaufte sie die Räume und baute sie um. Seit kurzem sind nun Labor und Rezepturraum, Lager, Verkaufsraum und Notdienstzimmer betriebskonform und es wandern wieder Arzneien, Kosmetika, Duftöle und Tees über die Theke.

Vorschriften erschweren die Arbeit

Während das Team, das sie von ihrem Vorgänger übernommen hat, und eine neue Filialleiterin, Rezepte entgegennehmen, Medikamente aus dem Apothekerschrank holen, bestellen und beraten, zeigt Ulrike Fellner die neuen Räume und erklärt, warum es Apothekengesetz und Betriebsordnung den Apotheken nicht leicht machen. Die 58-Jährige, die seit 28 Jahren die Bahnhof-Apotheke führt, kennt die Schwierigkeiten nur zu gut. Sie ist nicht sonderlich verwundert, dass vergangenes Jahr viele Apotheken schließen mussten. »In Deutschland gibt es nicht einmal mehr 20.000 Apotheken«, zeigt sie sich besorgt.

Zwar wurden Gesetz 2022 und Betriebsordnung 2012 novelliert, um sie an neue Entwicklungen und Erfahrungen aus der Praxis anzupassen. In der Betriebsordnung sind einige Punkte dennoch veraltet, andere stellen neue Hürden dar.

Ulrike Fellner öffnet die Türe zum neu eingerichteten großzügigen Labor- und Rezeptur-Raum. Weiße Wand, graue Schränke; es sieht ein bisschen aus, wie in einer Küche, nur sehr steril.

Steigende Kostenohne Ausgleich

»Die Novellierung der Betriebsordnung hat nur geringfügige Veränderungen gebracht«, sagt Ulrike Fellner. Sie zeigt verschiedene Laborwerkzeuge. Sie erklärt: »Bei der Novellierung sind detaillierte Vorgaben in Bezug auf die Laborausstattung gestrichen worden.« Mit dem Ziel, die Verantwortung über die konkrete Ausstattung der Apotheke dem Betreiber zu überlassen. »Was scheint wie eine Lockerung ist bei genauem Hinsehen keine wirkliche«, sagt die Pharmazeutin. Apotheken müssten etwa nach wie vor gewisse Werkzeuge vorhalten. Ebenso sind sie seit 2012 verpflichtet, ein Qualitätsmanagement durchzuführen. Manche Vorgaben kommen die Apotheker teuer zu stehen. Trotz steigender Kosten bekommen sie seit 2013 das gleiche Fixum pro ausgegebenem Arzneimittel.

Im Labor sind viele Schubläden noch leer. Auch in den oberen Vitrinen-artigen Schränken stehen nur wenige Substanz-Fläschchen. »Wir haben alle Alt-Chemikalien entsorgt«, erklärt Ulrike Fellner. »Peu à peu bestücken wir das Labor neu«, fügt sie an. In der ehemaligen St. Georg-Apotheke habe man schon lange keine Arzneimittel mehr hergestellt. »Labor und Rezepturraum haben den Anforderungen nicht entsprochen«, erklärt Ulrike Fellner. Ein Abzug, der notwendig ist, für die Arbeit mit scharfen Substanzen, war nicht vorhanden. Jetzt können hier wieder individuelle Arzneien hergestellt werden, genau so, wie sie die Kunden brauchen. Über den neu für die Mitarbeiter eingerichteten Sozialtrakt mit Küche geht Ulrike Fellner in die kleine Teekammer.

In den beiden deckenhohen hölzernen gegenüberliegenden Regalen stehen nur ein paar Dosen mit getrockneten Heilpflanzen. »Hier müssen wir noch modernisieren«, sagt die Pharmazeutin. Erst dann gibt es auf die Kunden abgestimmte Tee-Rezepturen.

Über einen kurzen, schmalen Gang gelangt man ins Lager. Ulrike Fellner bezeichnet es als »Herzstück jeder Apotheke«. Die ebenfalls deckenhohen hölzernen Apothekerschränke haben unzählig viele Schubläden, die beschriftet sind. Ulrike Fellner zieht eine Lade heraus. In den meisten Fächern liegen verschiedene Medikamentenpackungen, andere sind noch leer.

Nicht alle Arzneien kann die Apotheke vorhalten. Eigentlich nicht schlimm. Die Kollegen können ja bestellen. Das aber sei vor allem jetzt, in Krisenzeiten, nicht immer einfach, seufzt Ulrike Fellner. Sie sitze jeden Tag frühmorgens am Computer und sehe zu, die Pharmaka für ihre Kunden zu bekommen. Teils bestelle sie bei Großhändlern, teils direkt bei den Firmen. »Wer bietet was an?« Die Beschaffung sei täglich eine Herausforderung.

Ulrike Fellner weiß, dass manche Krankenkassen Verträge mit einer Herstellerfirma abgeschlossen haben, deren Produkt aber gerade nicht zu bekommen ist. »Ich kann meine Kunden nicht warten lassen«, sagt die Apothekerin. Sie legt sich ins Zeug. Notfalls beschaffe sie ein Arzneimittel einer anderen Firma, in der Hoffnung, dass es die Krankenkasse nicht retaxiert. Das Risiko nimmt Ulrike Fellner in Kauf.

Sie wechselt in den neu gestalteten Verkaufsraum, in dem jetzt auch eine Beratungsecke integriert ist. »Auch die muss es hier geben, um in Ruhe auf die Kunden eingehen zu können. Im Verkaufsraum sorgt eine Aromalampe für einen angenehmen Duft. Es herrscht eine wohlige Atmosphäre. Im Verkaufsraum befinden sich rund eine Handvoll Kunden, das zeigt: In Bischofswiesen braucht es eine Apotheke.

Die neue Inhaberin pendelt zwischen Bahnhof- und St. Georg-Apotheke. Das ist möglich, weil sowohl in Berchtesgaden als auch in Bischofswiesen eine zusätzliche studierte Pharmazeutin tätig ist. Seit der Übernahme durch Ulrike Fellner wirkt in der St. Georg-Apotheke die approbierte Apothekerin Dr. Andrea Carvakapa.

Wenn Apotheker mehrere Filialen führen – gemäß Apothekengesetz dürfen sie seit 2022 bis zu drei Filialen leiten – muss mindestens ein voll haftender Apotheker vor Ort sein. Als Heilberufler sind Apotheker dem Allgemeinwohl verpflichtet.

Das ist auch der Antrieb für die 58-jährige vierfache Mutter Ulrike Fellner. Deswegen hat sie auch die St. Georg-Apotheke übernommen, »um für die Gemeinschaft zu leben und zu arbeiten«, wie sie sagt.

»Eine Apotheke vor Ort ist total wichtig«

Eine Apotheke hat vergangenes Jahr im Berchtesgadener Land zugemacht, eine im Landkreis Traunstein. Den Sprecher des Bayerischen Apothekerverbandes für das Berchtesgadener Land, Dr. Fabian Seibert, Inhaber der Marktapotheke in Teisendorf, besorgt das. »Eine Apotheke vor Ort ist total wichtig«, ist er überzeugt. Gerade jetzt, wo auch die Pharmazie mit Lieferengpässen konfrontiert ist.

»Online-Apotheken machen es sich leicht, sagen einfach Medikament nicht lieferbar«, erklärt er. Die Apotheke vor Ort hingegen bemüht sich, das Arzneimittel oder ein Pendant-Produkt zu beschaffen. »Im Notfall mischen wir die Rezeptur selbst«, so der Apotheker. Letztendlich »macht es Freude, die Kunden versorgen zu können«. Apothekenschließungen führt er vorwiegend auf finanzielle Probleme zurück. Er weist darauf hin, dass das Fixum seit 2013 nicht mehr angepasst wurde, gleichzeitig aber Inflation sowie steigende Personal- und Sachkosten zu Mehrkosten führen. Die Kostensteigerungen seien für manche nicht mehr zu decken, so Dr. Fabian Seibert.

Lisa Schuhegger