Der Karei, der auch streitbar sein konnte, mischte sich ein, wenn es sein musste, stellte sich dabei selbst aber nie in den Vordergrund. Ihm ging es immer um die Sache. Christoph Karbacher, der am 4. April im Alter von 84 Jahren verstarb, galt als Mann mit Moral, als Original, als Charakterkopf. Und schließlich war der Kunsterzieher und Heimatforscher auch ein leidenschaftlicher Faselsberger.
Christoph Karbachers Vater Max war Franke, er leitete nach dem Zweiten Weltkrieg einige Jahre die Schnitzschule in Berchtesgaden. Die Mutter Hildegard unterstrich ihre schwäbische Herkunft durch ihren Dialekt, den sie auch nach 70 Jahren in Berchtesgaden noch lupenrein sprach. Die Familie mit insgesamt drei Buben war vom Schwarzwald nach Berchtesgaden gekommen, als Sohn Christoph Karbacher noch sehr klein war. Bereits in seiner Kindheit machte er den Mund auf, wenn ihm etwas nicht gefiel. Er soll ein richtiger Rebell gewesen sein. So wird in seinem Bekanntenkreis heute noch die Geschichte erzählt, als er auf dem Weg in die Matthäusschule Bad Reichenhall im Zug eine Stinkbombe platzen ließ, damit er dann das ganze Abteil für sich alleine hatte. Im streng katholischen Elternhaus kam es zwangsläufig zu Konflikten. Christoph brach sogar die Schule ab und arbeitete als Schankkellner im »Bier Adam«. Ein Lehrer an der Christophorusschule hat den Karei dann doch noch ermutigt, das Abitur zu machen, die Schulgebühren arbeitete er mit Hausmeisterarbeiten ab.
Seine spätere Ehefrau Hilde lernte Christoph Karbacher in München kennen, wo er an der Akademie der Künste studierte. Er lud die fesche Bremerin gleich schneidig zu einem Studentenfest ein. Nachdem die Norddeutsche waghalsige Touren unter anderem auf die Schönfeldspitze und auf den Hohen Göll überlebt hatte, wurde 1969 geheiratet. Die ersten gemeinsamen Jahre verbrachten die beiden in Rosenheim. Zu einigen Schülern aus dieser Zeit hatte der Karei bis zuletzt guten Kontakt, zwei begleiteten ihn sogar in den Kosovo, sein Lieblingsreiseziel mit dem Motorrad, einer BMW R 80 G/S.
Im Jahr 1979 hatte Christoph Karbacher das Glück, die einzige Stelle als Kunsterzieher am Gymnasium Berchtesgaden zu ergattern. Es folgte der Umzug ins Elternhaus am Faselsberg, wo der Karei eine holprige Karriere als »Schafebauer« begann. Legendär waren die Schaffleischessen im Hotel »Vier Jahreszeiten«, zu denen der Karei seinen Freundeskreis regelmäßig einlud.
Christoph Karbacher hatte stets ein Faible für außergewöhnliche Charaktere, für Originale und schräge Vögel. Vielleicht weil er selber einer war. Und so galt sein Herz auch ganz besonders den Außenseitern, wenn er die Geschichte Berchtesgadens recherchierte; dem Galoppschnitzer an der Nassen Wand oder dem eigenbrötlerischen Holzschnitzer Josef Sunkler, der 1 046 Mal den Jenner bestieg.
Besonders gern hat Karbacher Logos und Ähnliches skizziert. Seine eigene Visitenkarte zierte eine Hand, die einen Blitz festhält. Auch beim Logo der Snowboard-Junioren-WM 2006, der 200-Jahr-Feier Berchtesgadens (der Löwe, der sich das Maul leckt) oder beim Logo des Obst- und Gartenbauvereins zeigen sich seine lockere Hand und ein gewisser Schalk. Das gilt insbesondere auch für das von ihm skizzierte »Oaschpfeifirössl«, das ausschlägt.
Seine vielen, vielen Ideen hat Christoph Karbacher immer sehr zielstrebig und mit großer Hartnäckigkeit umgesetzt. Karbachers Tochter Ursula Wischgoll weiß, dass ihm die Schifferlregatta auf der Ache und die Aufwertung der Friedhofsmauer am Alten Friedhof in Berchtesgaden ganz besonders am Herzen lagen. In jahrelanger Arbeit ließ er die Tafeln mit den Namen von im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallenen und vermissten Soldaten erneuern. Akribisch hat er in den Archiven und bei den Familien recherchiert, um Daten und Fotos der Gefallenen zu sammeln. Auch für den »Berchtesgadener Anzeiger« hat der Karei für mehrere emotional ergreifende Artikel Informationen über die Schicksale heimischer Soldaten im Ersten Weltkrieg gesammelt.
Zahlreichen Themen, die mit Berchtesgadener Heimatgeschichte zu tun haben, widmete sich Christoph Karbacher mit großer Leidenschaft über viele Jahrzehnte hinweg. Bereits 1985 gab er zusammen mit Fritz Schelle und Alfred Spiegel-Schmidt das Buch »Berchtesgaden in alten Ansichten – Druckgrafik des 19. Jahrhunderts« heraus, von 1981 bis 1997 leitete er ehrenamtlich das Heimatmuseum im Schloss Adelsheim. Auch hier interessierte ihn besonders die Druckgrafik – und so begann Karbacher damit, diese für das Museum zu sammeln. Für die Geschichte Berchtesgadens verfasste Karbacher den Artikel über Landschaftsmalerei. Auf sein Drängen hin wurde auch die unleserlich gewordene Schrift an der Vorderbrandstraße, mit der an die Bedeutung der Waldpflege erinnert wird, saniert. Für die Neukonzeption des Salzbergwerks hatte der Faselsberger die Idee zu einem Salzlabor, genauso sind die Entstehung der Themenwege entlang der Königsseer Ache sowie vom Salzbergwerk entlang der alten Soleleitung zum »Haus der Berge« auf Karbachers Initiative zurückzuführen. Auch die Installierung des Wasserrads in Unterstein und die Errichtung des Malerrundwegs in Ramsau hat Karbacher angestoßen und umgesetzt. Angesichts dieses umfassenden Engagements war es nur logisch, dass man Christoph Karbacher anlässlich der 200-Jahr-Feier Berchtesgaden bayerisch als ehrenamtlichen Leiter des Festausschusses einsetzte. Für seine großen Verdienste zum Wohle der Heimat wurde Karbacher im Jahr 2023 mit dem Preis des Heimatkundevereins ausgezeichnet.
Auch wenn Christoph Karbacher die größte Genugtuung immer bei seinen Berchtesgadener Projekten empfand, so wagte er kurz vor seiner Pensionierung als Kunsterzieher am Gymnasium Berchtesgaden doch noch den Sprung über die Heimatgrenze hinaus ins internationale Business. Er folgte dem Ruf Fedor Radmanns ins Organisationskomitee der Fußball-WM 2006 in Deutschland und arbeitete in München im Ressort Kunst und Kultur mit. Das Projekt wurde, wie man weiß, zu einem Riesenerfolg fürs ganze Land. Und doch hatte man den Eindruck, dass Christoph Karbacher froh war, als es vorbei war und er sein Augenmerk wieder auf die Geschehnisse und vor allem auf die Menschen im Berchtesgadener Land richten konnte. Die waren ihm immer wichtiger als irgendwelche einflussreichen Leute an wichtigen Positionen. Die Jungen freuten sich beispielsweise über die vom Karei organisierten Halloween-Partys im damaligen »Berchtesgadener Hof« und im Bahnhofstunnel, die älteren Nachbarn am Faselsberg schätzten die gelegentlichen Besuche Karbachers während seiner ausschweifenden Spaziergänge und Motorrollertouren am Faselsberg.
Nun wird Christoph Karbacher seine ewige Ruhe auf dem Alten Friedhof in Berchtesgaden finden, dem er in den letzten Jahren so viel Zeit gewidmet hatte. Schließlich hatte der Karei auch in dieser Sache bereits Vorsorge getroffen. 2018 war er bei der Verlosung der knappen Friedhofsplätze erfolgreich gewesen. Zu seinem Wunschgrab direkt neben seinem früheren Künstler-Spezl Martin Rasp kam er allerdings erst über einen Umweg. Die Dame, der dieses Grab zunächst zugelost worden war, erklärte sich zum Tausch bereit. Und so freute sich der Karei dann geradezu schelmisch über die Zuteilung der Grabstätte neben seinem Freund, die noch dazu in unmittelbarer Nähe zur Wasserstelle liegt. Die Bepflanzung sei deshalb »sehr leicht zu gießen«. Typisch Karei halt. Ein Original, das fehlen wird – als moralische Instanz, als kreativer Geist und als Gaudibursch. Ulli Kastner