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Der Triebwagenzug am Königsseer Bahnhof (heute Triftplatz) im Jahr 1939. Im Hintergrund das damals neu entstandene Bahnhofsgebäude. Das Foto stammt aus dem Buch »120 Jahre Bahngeschichte Berchtesgaden« von Manfred Angerer und Herbert Birkner.

56 Jahre Bahnbetrieb zum Königssee

Berchtesgadener Land – Ziemlich genau 56 Jahre lang verkehrte zwischen dem Bahnhof Berchtesgaden und dem Königssee im vorigen Jahrhundert eine elektrische Bahn. Die letzte Fahrt ist am 2. Oktober 1965 dokumentiert.


Nachdem Berchtesgaden ab 1888 mit der Bahnstrecke Freilassing–Berchtesgaden an das Schienennetz angeschlossen war und 1907 durch die Bahnstrecke Berchtesgaden–Hangender Stein auch noch eine direkte Anbindung an Salzburg bekam, stieg auch die Zahl der Touristen im Berchtesgadener Talkessel signifikant an. Viele von ihnen besuchten auch den Königssee, sodass man auf dieser Strecke ab dem Bahnhof Berchtesgaden Pferdedroschken und Motoromnibusse der Bayerischen Motor Post einsetzte.

Dennoch wurde man dem Besucheransturm nicht Herr, sodass die Bayerische Staatsregierung am 16. August 1908 den Bau der Königsseebahn genehmigte und die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen mit dem Betrieb beauftragte.

Bereits im Oktober 1908 begann der Bau der neuen 4,3 Kilometer langen Bahnstrecke, für die man zwei Bahnhöfe am Königssee und am Triftplatz sowie Haltepunkte bei Schwöb und Unterstein errichtete. Dazu kamen Bahnbrücken über die Ramsauer Ache, die Königsseer Ache sowie drei kleine Gewässer, zwei Stützmauern und 31.000 Kubikmeter bewegte Erdmassen.

Die Elektrifizierung mit 1000 Volt Gleichstrom kam vom nahen Wasserkraftwerk Gartenau. Nie realisiert wurde der zwischenzeitlich geplante bis zu 400 Meter lange Fergerlbergtunnel, der die Königsseebahn direkt mit der Bahnstrecke Freilassing–Berchtesgaden im Bereich Gmundbrücke verbinden sollte.

Nach nur einem Dreivierteljahr Bauzeit ging die Bahn am 29. Mai 1909 pünktlich zum Pfingstfest in Betrieb. Auf der Königssee-Bahn wurden die gleichen Leicht-Triebwagen und Beiwagen eingesetzt wie auf der Strecke Salzburg–Schellenberg–Berchtesgaden. Lediglich die Farbanstriche waren unterschiedlich. Während die österreichische SETG-Privatbahn in den Salzburger Landesfarben weiß-rot lackiert war, entschied man sich auf bayerischer Seite für einen Anstrich in Dunkelgrün-Beige.

Die Königlich Bayerische Staatsbahn ging am 1. April 1920 in der neu gegründeten Deutschen Reichsbahngesellschaft und ab 1932 in der Deutschen Reichsbahn auf. Vieles spielte zusammen, dass schon zu dieser Zeit die Fahrgastzahlen drastisch zurückgingen. Zwar gab es nach dem sogenannten »Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich« zwischenzeitlich wieder einen sprunghaften Anstieg, doch am 2. Oktober 1938 legte die Reichsregierung ohne Ankündigung die Strecke zwischen Berchtesgaden, Haltestelle Bergwerk und Hangender Stein still und ließ die Trasse unverzüglich durch Eisenbahnpioniere abbauen.

Gleichzeitig kündigte man damals an, dass nach Fertigstellung der verbreiterten Staatsstraße unverzüglich mit dem Bau einer zweigleisigen elektrifizierten Hauptbahn von Berchtesgaden nach Salzburg begonnen werde. Dafür wurden das überdimensional große, noch heute stehende Bahnhofsgebäude und der östlich davon liegende zweigleisige, 240 Meter lange Tunnel zwischen 1938 und 1940 erstellt. Doch infolge des Kriegsbeginns baute man an der geplanten Trasse dann nicht mehr weiter.

Die Einstellung und der Abbau der Lokalbahn von der Haltestelle Bergwerk bis zur Grenze am Hangenden Stein hatte auch weitreichende Konsequenzen für die Königsseebahn. Nicht nur dass der Ausflugsverkehr aus Richtung Salzburg fast gänzlich zum Erliegen kam, auch in technischer Hinsicht musste man nachbessern. Letztendlich hatte aufgrund des einsetzenden Individualverkehrs auch die Königsseebahn etwa ab 1960 mit sinkenden Fahrgastzahlen zu kämpfen. Dazu kam der neu eingeführte Bahnbusbetrieb.

»Als dann zum Ende des Sommerfahrplans am 2. Oktober 1965 der letzte Zug nach Königssee fuhr, war das den Fahrgästen nicht im Geringsten bewusst«, schreiben Manfred Angerer und Herbert Birkner in ihrem Buch »120 Jahre Bahngeschichte Berchtesgaden«. Offiziell hieß es nur, dass der Schienenverkehr vorübergehend eingestellt werde. Tatsächlich war ab diesem Tag die Königsseebahn jedoch Historie. Und am 8. März 1971 erteilte der Bundesverkehrsminister die Genehmigung zur dauernden Betriebseinstellung. Im Mai 1971 baute man die Bahnanlagen bis auf den Bahnhof Königssee schließlich vollständig ab. 

Ulli Kastner