Superlative sind oft wackelige Messlatten für ein Ereignis, auch wenn es ein ganz besonderes war. Von den sich langsam in die beginnende Nacht zerstreuenden Konzertbesuchern war durchweg Positives zu vernehmen und Freude zu spüren, dass man diesen musikalischen Leckerbissen miterleben durfte. In englischer Originalfassung, was auch Sprachunkundige wenig störte, da sie einen guten Programmzettel mit der deutschen Übersetzung an die Hand bekamen.
Am Ende verteilte die freudestrahlende Elke Michel-Blagrave Schokoladentaler an ihre Musiker und Sänger. Aber erst, nachdem der anhaltende und teilweise sogar frenetische Applaus verebbt war.
Die Christuskirche ist nun einmal ein relativ kleines Gotteshaus und auch ein wenig kühl an solchen Abenden im Dezember. Nicht so sehr ideale Bedingungen für frierende Streichinstrumente, die darüber durchaus verstimmt sein könnten. Vor dem ersten Ton trug der Bratschist dicke Handschuhe, um die Finger warm zu halten. Die beiden Geigerinnen versuchten, die Hände mit eigener Atemluft geschmeidig zu halten. Die Sopranistin hatte sich vorsorglich eine Thermosflasche mit vermutlich heißem Tee bereitgestellt. Aus der Kühle entwickelte sich allerdings sehr bald ein »heißer« Musikabend, soweit man dies von einem Kirchenkonzert überhaupt, mit allem Respekt, sagen darf.
Zwei Geigerinnen, je ein Bratschist, Cellist und Bassist, zwei Bläser, eine Dame am Orgelpositiv und ein nach geruhsamem Abend letztlich eingreifender Schlagwerker, das waren an diesem Abend die Protagonisten, die von Dr. Elke Michel-Blagrave geführt, den Kirchenraum geradezu verzauberten. Dazu ein Chor, der sauber und mit spür- und sichtbarem Enthusiasmus Händels Oratorium kraftvoll intonierte. Auch wenn es gute und äußerst engagierte Chorsänger meist gar nicht so sehr mögen: Die den Chorpart unterstützenden Solisten ließen das Ensemble voluminöser, voller erscheinen. Was vor allem im »Halleluja« prächtig zum Tragen kam.
Und überhaupt die Solisten. Ein mit vier »Glücksgriffen« von Dr. Elke Michel-Blagrave ausgewähltes Quartett, das vom eindrucksvollen Tenorsolo Alexander Hüttners, über Samo Lampichlers Baßarie »Himmel und Erde werden erbeben«, über das prächtige Altsolo von Silke Redhamer bis hin zum späten Einsatz der in letzter Minute eingesprungenen Sopranistin Anna Hempel als »Verkündigungsengel« zu überzeugen wusste.
Es war ein schönes Konzert. Vielleicht sogar ein denkwürdiges, eines, das länger in Erinnerung bleiben wird. Im kommenden Frühjahr sollen an gleicher Stelle die anderen Teile des »Messias« erklingen. Man geht sicherlich kein Risiko ein, wenn man bereits jetzt die Werbetrommel anschiebt. Dieter Meister