Dass Männer ihre Partnerinnen schon während der Schwangerschaft begleiten und bei der Geburt ihrer Kinder dabei sind, ist für das Hebammen-Team der Kreisklinik Bad Reichenhall völlig normal. »Die Männer gehören dazu, von Anfang an. Sie gehen mit ihren Partnerinnen spazieren, kümmern sich um sie, wir leiten sie an, welche Massage sie machen können oder wie sie die Frauen in der Geburtsposition unterstützen können«, sagt Hebamme Sindy Kienberger. Sie weiß: Eine Geburt kann sich hinziehen, über Stunden, manchmal sogar über Tage. Da tut es den Frauen gut, wenn die vertraute Person die ganze Zeit bei ihnen ist.
Außerdem sei der Mann ein wichtiger Vermittler zwischen Klinikpersonal und ihnen. Er kann sicherstellen, dass Wünsche und Bedürfnisse berücksichtig werden, vor allem wenn die werdende Mutter selbst gerade nicht die Kraft hat, sich entsprechend zu äußern. »Über die Väter finden wir sehr gut Kontakt zu den Frauen. Sie kennen ihre Partnerinnen in und auswendig und wissen, was sie brauchen«, bestätigt auch Hebamme und Stationsleiterin Verena Hellmann.
Rund 600 Frauen entbinden pro Jahr in der Kreisklinik Bad Reichenhall. Es gibt drei Kreißsäle und eine Gebärwanne mit 1,5 Metern Durchmesser. Hier kann sich die Frau frei bewegen und die Position einnehmen, die ihr gut tut – immer unterstützt vom Partner an ihrer Seite. Sie kann ihr Kind in der Wanne zur Welt bringen oder das warme Wasser zwischendurch zur Entspannung nutzen.
Seit den 1970er-Jahren hat sich die Geburtshilfe in Deutschland sehr gewandelt, Frauen gebären nur noch selten daheim und zu 98 Prozent im Krankenhaus. Die werdenden Väter sind zunehmend im Kreißsaal anwesend. Mittlerweile begleiten über 90 Prozent ihre Partnerin zur Geburt. »Die Männer sind sehr informiert und waren meist schon beim Geburtsvorbereitungskurs dabei. Wahrscheinlich schauen sie sich sogar entsprechende YouTube-Videos an. Kinderkriegen ist nicht mehr nur Frauensache«, sagt Sindy Kienberger. Verena Hellmann ergänzt: »Männer haben ein anderes Selbstverständnis, da klappt niemand mehr während der Geburt zusammen.«
Ganz im Gegenteil, Väter halten Hände, reichen ein Glas Wasser oder stützen die Frauen körperlich bei bestimmten Gebärpositionen. Ist das Kind da, dürfen sie die Nabelschnur durchschneiden – wenn sie das möchten – und ihrer Frau das Kind auf den Bauch legen. Auch bei der ersten Untersuchung, der sogenannten U 1, direkt nach der Geburt dürfen die Männer sofort mitanpacken: halten, wickeln, anziehen – die Hebammen zeigen, wie alles geht.
War die Entbindung ein Kaiserschnitt, fällt den Männern eine wichtige Aufgabe zu: »Bonding«, auf Deutsch »Verbindung«. Während Mütter noch im Operationssaal versorgt werden, bekommen Väter das Neugeborene auf die nackte Brust gelegt. »Diese direkte Kontaktaufnahme, das Beschnuppern und sich vertraut machen mit dem Duft der Eltern in den ersten Minuten nach der Geburt, baut Vertrauen und Geborgenheit auf. Schutz, Wärme, Liebe und Zuwendung sind das, was jedes Baby braucht. Und auch die Eltern knüpfen durch das Bonding ein enges Band zu ihren Kindern«, erklärt Verena Hellmann.
Zeit als Familie
Nach einer Geburt brauchen frischgebackene Eltern und ihr Neugeborenes vor allem Ruhe. Nicht nur, um sich von der Anstrengung zu erholen. Es ist auch wichtig, Zeit zu Dritt verbringen zu können, um als Familie zusammenzuwachsen. Deshalb gibt es an der Kreisklinik Bad Reichenhall zwei Familienzimmer. Hier ziehen Väter mit ein, können Tag und Nacht im Krankenhaus bleiben und bekommen als Selbstzahler ebenfalls volle Verpflegung. Sogar Geschwisterkinder können untergebracht werden.
Eines der Zimmer hat gerade Jan Reinoß mit Säugling Elias bezogen. Seine Frau braucht noch viel Ruhe und Schlaf. Umso mehr weiß Jan Reinoß das Familienzimmer zu schätzen. »So hat mein Sohn trotzdem die Nähe zur Mutter«, sagt er. Elias ist das zweite Kind des Ehepaares. Auch bei der ersten Geburt war der Vater im Kreißsaal dabei. »Wir können unseren Partnerinnen nichts abnehmen. Das ist für viele Männer vielleicht ungewohnt. Aber wir können sie unterstützen und dabei leiten einen die Hebammen sehr hilfreich an. Als ich meiner Frau unser Kind in den Arm legen durfte, habe ich trotzdem kurz kalte Füße bekommen«, erzählt er.
Neue Rolle als Mutter und Vater
»Mit einer Geburt werden aus Frauen Mütter und aus Männern Väter, in diese neuen Rollen müssen sie erst mal hineinfinden«, weiß Sindy Kienberger und dabei helfen sie und ihre Kolleginnen.
Durchschnittlich drei Tage bleiben Mütter und Neugeborene im Krankenhaus. Selbst Frauen mit Kaiserschnitten können oft nach drei bis vier Tagen entlassen werden. »In der Zeit, die sie bei uns sind, ist es unsere Aufgabe, den Eltern so viel wie möglich zu vermitteln und sie vorzubereiten«, sagt Verena Hellmann.
Dass die Besuchszeit wegen Corona noch auf 14 bis 17 Uhr eingeschränkt ist, wirkt sich positiv aus. Wenn sich Verwandte und Freunde nämlich die Klinke in die Hand geben, bleibt die Erholung oftmals auf der Strecke. »Wir haben die letzten Monate beobachten können, dass die Mütter besser stillen und dass sie und das Baby besser schlafen, wenn sie wenig Besuch haben. Sie können sich ganz auf sich konzentrieren und wir können die Frauen – und Väter – ungestört in allem anleiten«, sagt Verena Hellmann.
Informationsabend für werdende Eltern
Jeden ersten Dienstag im Monat lädt die Elternschule der Kreisklinik Bad Reichenhall zu einem Informationsabend ein. Es besteht die Möglichkeit, die Entbindungsabteilung zu besichtigen, eine Führung durch den Kreißsaal mitzumachen und einen Blick in das Kinder- und Stillzimmer der Wochenstation zu werfen. Hebammen und Ärzte informieren über Geburtsmethoden, -verlauf, Möglichkeiten zur Schmerzlinderung und die Versorgung des Babys. Das Team steht für Fragen der stationären Versorgung, zur Geburtsplanung und zu Kursangeboten zur Verfügung. Über die Versorgung von Neugeborenen gibt eine Kinderkrankenschwester Auskunft.
Eine Anmeldung ist erforderlich per E-Mail an elterninfoabend.rei(at)kliniken-sob.de.
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