Das Thema Neue Königsseebahn nahm durch den anstehenden Baubeginn der Regionalstadtbahn von der Salzburger Innenstadt bis nach Hallein (S-Link) und vehement angeschoben durch das Verkehrsforum Berchtesgadener Land Fahrt auf. Von einem Abzweigbahnhof in Anif könnte künftig wieder eine Trasse über Marktschellenberg und Berchtesgaden bis zum Königssee führen. Die drei betroffenen Gemeinden unterstützen das Projekt und wollen gemeinsam mit dem Landkreis Berchtesgadener Land und dem Land Salzburg eine Untersuchung zur technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit in Auftrag geben. Die soll, das betonten alle drei Bürgermeister im Gespräch mit dem »Berchtesgadener Anzeiger«, relativ schnell vorliegen. Denn zum einen müssen die Berchtesgadener den Salzburgern mitteilen, ob sie einen Abzweig in Anif in Richtung Königssee wollen, und zum anderen könnte sich die Planung einer Neuen Königsseebahn auch auf den beabsichtigten Neubau der Ortsbrücke in Marktschellenberg auswirken.
»So ein Projekt ist, vor allem was die Trasse betrifft, in unserem Ort sicherlich nicht leicht umzusetzen«, äußert sich Marktschellenbergs Bürgermeister Michael Ernst vorsichtig. Weil die Straßenbreite teilweise nicht ausreicht, müssten verschiedene Lösungen in Betracht gezogen werden: eine Achenüberbauung, eine Hangabgrabung oder gar ein Tunnelbau? Michael Ernst will nicht gerne ins Detail gehen, weil zu viele Fragen noch ungeklärt seien. Da gehe es zum Beispiel darum, wie sich der Verkehr in den nächsten Jahren entwickeln werde und mit welchen Fahrgastzahlen man rechnen könne.
Obwohl Ernst von einem »Rieseneingriff« spricht, steht er dem Projekt nach eigenen Worten »offen gegenüber«. Gleichzeitig warnt der Rathauschef davor, die Hände in den Schoß zu legen, falls man eine Neue Königsseebahn tatsächlich in Angriff nehmen will. Denn mit einer Realisierung sei sicherlich nicht innerhalb von 10 oder 20 Jahren zu rechnen. »Und 20 Jahre Nichtstun geht nicht«, sagt Ernst. Zwischenzeitlich müsse in jedem Fall das Busnetz ausgebaut und auf Elektrobetrieb umgestellt werden. »Auch wenn Michael Ernst eine Regionalstadtbahn durch seinen Ort als »toll« bezeichnet, decken sich seine Ideen nicht zu 100 Prozent mit denen des Verkehrsforums. Die Errichtung eines riesigen Bahnbetriebswerks beim Schnitzhofaufheim beispielsweise hält der Bürgermeister für gar nicht notwendig.
Auch sein Berchtesgadener Kollege Franz Rasp verweist auf die Studie, die die aktuellen Gegebenheiten berücksichtigen werde. Darin werde es hauptsächlich um den Kosten-Nutzen-Faktor gehen. Denn die Baukosten haben sich seit der letzten Studie doch erheblich verändert. Gleichzeitig soll für die neue Studie aber auch die CO2-Einsparung berechnet werden. »Wenn die Studie da ist, werden wir Klarheit haben«, sagt Rasp.
Die vom Verkehrsforum ins Auge gefasste Trasse bestätigt Franz Rasp im Wesentlichen. »Wir haben die Strecke durch den ehemaligen Eisenbahntunnel von Bebauung freigehalten, die Trasse ist auch im Flächennutzungsplan enthalten«, sagt Rasp. Auch in einer Trassenführung mitten durch den Kreisverkehr, für die es wohl keine Alternative gibt, sieht der Marktbürgermeister kein Problem. »In der Stadt steht der Verkehr ja auch, wenn die Straßenbahn kommt. Das ist dann wie bei einer Ampel.«
Ziemlich begeistert klingt Hannes Rasp, Bürgermeister aus Schönau am Königssee, wenn er über das Projekt Neue Königsseebahn spricht. »Schließlich schimpfen alle über den zunehmenden Pkw-Verkehr, dann muss man auch etwas unternehmen«, sagt der Rathauschef, wenngleich er eine Umsetzung des Projekts in den nächsten zehn Jahren nicht für machbar hält. »Für den Privatverkehr und für den Tourismus gibt es doch nichts Besseres, als wenn man einen Straßenbahnanschluss nach Salzburg und zum Flughafen hat«, betont Rasp.
Allerdings weichen die Vorstellungen der Gemeinde Schönau am Königssee hinsichtlich der Trassenführung erheblich von denen des Verkehrsforums ab. Während das Verkehrsforum die Bahn direkt an der Ache entlang leiten und beim Campingplatz Mühlleiten hinauf zur Bundesstraße führen will, favorisiert Hannes Rasp eine Trasse direkt durch Unterstein. »Nach dem Karlsruher Modell muss die Bahn da fahren, wo die Leute wohnen«, betont der Bürgermeister. So sei es auch im Flächennutzungsplan vorgesehen. Nicht für notwendig hält Hannes Rasp auch den Bau einer großen Bahnhofshalle in Königssee. »Da reicht eine ganz normale Straßenbahnhaltestelle.«
Trotz der Vision Neue Königsseebahn will die Gemeinde laut Rasp an der Verbesserung des Busangebots und vor allem an einer engeren Taktung festhalten. Der Kurs nach Salzburg soll künftig alle halbe Stunde fahren. Dieses Projekt verzögert sich allerdings, der Halb-Stunden-Takt wird wohl nicht wie geplant noch zur kommenden Sommersaison eingeführt. »Aber er soll in jedem Fall noch heuer kommen«, bekräftigt Hannes Rasp.
Ulli Kastner