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Ein Buch über das Anderssein. (Foto: Kilian Pfeiffer)

Plädoyer für Toleranz und Offenheit: Riccardo Simonetti veröffentlicht drittes Buch

Berchtesgadener Land – Wenn das eigene Kind von den Erwartungen der Eltern abweicht, darüber erzählt Riccardo Simonetti gemeinsam mit seiner Mutter Anna in seinem dritten Buch. Der mittlerweile zum LGBTQI-Sonderbotschafter des Europäischen Parlaments ernannte Influencer, der als Entertainer und TV-Allzweckwaffe Medienpräsenz genießt, berichtet darin über sein Coming-out und was das für die Mutter-Sohn-Beziehung bedeutet. Erzählt wird dabei aus zwei Perspektiven.


Als Riccardo Simonetti vor einigen Jahren in Bad Reichenhall zu Gast war, in seiner Heimatstadt, da war die Welt um ihn herum kunterbunt. Der Tisch, an dem er saß und um den sich eine Schar junger Frauen versammelt hatte, war mit süßem Vielerlei gedeckt. Er war das Gesicht für einen großen Schokoladenhersteller, badete in einer Wanne aus Mozartkugeln, umgab sich mit vielen aufstrebenden Influencerinnen. Geoutet hatte sich der junge Mann mit den langen, braunen Haaren damals noch nicht. Fragen über sein Privatleben wurden nicht gestellt. Auch seine Mutter wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, worüber Simonetti nun ein weiteres Buch geschrieben hat. »Ein Buch über das Anderssein«, so bezeichnet es der 29-Jährige. Denn ein selbstbestimmtes Leben zu führen, das war für ihn lange Zeit nicht möglich. Es war ein »weit entfernt liegender Wunsch. Zwischen damals und heute lagen viele Momente des Zweifelns, der Angst und der Einsamkeit«, schreibt er in seinem neuen Buch.

Während des Lockdowns hat Simonetti sein Leben reflektiert. Er ging zum Therapeuten, outete sich vor seiner Mutter als homosexuell. Den Weg dorthin, von der Kindheit über die Pubertät bis in die Gegenwart, beschreiben Anna und Riccardo Simonetti – jeweils aus ihrer Perspektive geschrieben – auf 306 Seiten.

Was für ein Kind war also Riccardo Simonetti? »Ich war ein Junge, der gerne mit Dinosauriern spielte und dessen Lieblingstiere Schlangen waren«, schreibt er. Er mochte das Gefühl, »wenn meine roten Haare frisch abrasiert wurden und sich anfühlten wie eine Bürste«. Er zeichnete gern, im Kindergarten spielte er mit Barbiepuppen. Sein Lieblingsbuch war »Der Regenbogenfisch«, sein Lieblingsfilm »Die kleine Meerjungfrau«. Er spielte fast ausschließlich mit Mädchen. »Bei uns am Tisch saßen fast immer nur Frauen«, schreibt auch Mutter Anna, die sich von Riccardos Vater getrennt hatte.

Die Hänseleien, die er erfuhr, schmerzten die Mutter, sie hatten überhand genommen. Schon auf dem Pausenhof wurde er als schwul bezeichnet. Zuhause im Bett träumte Riccardo davon, am nächsten Morgen als Mädchen aufzuwachen. Nicht, weil er tatsächlich eines sein wollte, sondern weil das Leben in dieser Rolle für ihn einfacher erschien. Währenddessen hatte Mutter Anna den Wunsch, einen Sohn zu haben, der statt mit Puppen lieber Fußball spielt.

Das Buch hat Simonetti nach eigener Aussage für alle Eltern und deren Kinder geschrieben, einander besser zu verstehen. »Denn wer sich in sein Gegenüber hineinversetzen kann, der schafft es auch, sich mit Liebe und Toleranz zu begegnen.«

Das »wichtigste Gespräch seines Lebens« führte er mit seiner Mutter. Er offenbarte ihr, nicht mehr weniger sein zu wollen »als voll und ganz ich selbst«. Und entgegen all seinen Ängsten »entfernte mich dieses Gespräch nicht von ihr, sondern belohnte mich, denn sie hörte nicht auf, mich zu lieben, und dafür bin ich so dankbar«, schreibt Riccardo Simonetti. Seine Mutter sagt: »Wenn wir unsere Kinder als die Wundertüte annehmen, als die sie zur Welt kommen, dann ist schon ganz viel gewonnen.«

Riccardo Simonetti lebt mittlerweile offen schwul. Mit seinem Freund zeigt sich der gebürtige Bad Reichenhaller auf seinem Instagram-Profil. Als LGBTQI-Sonderbotschafter (Lesbian, Gay, Bi, Trans, Queer und Intersex) unterstützt er im Kampf um mehr Diversität. Das Forbes-Magazin hatte ihn zu den »30under30«, den 30 einflussreichsten Menschen unter 30 Jahren gewählt. Simonetti hatte schon 2019 ein Buch veröffentlicht: »Raffi und sein pinkes Tutu«. Der Junge, der gerne Fußball spielt, hat eine Lieblingspuppe und trägt zuhause ein pinkes Tutu. Es ist auf besondere Weise Riccardo Simonettis Geschichte, erzählt in bunten Bildern. Was Simonetti damit beabsichtigte? Kindgerecht einander akzeptieren zu lernen, auch wenn man vielleicht unterschiedlich sein mag.

Das Buch »Mama, ich bin schwul – Was mein Coming-out für uns bedeutete« ist im Goldmann-Verlag erschienen.

Kilian Pfeiffer