Alle drei aktuellen Geschichten passierten am Freilassinger Bahnhof. »Er ist auf allen Vieren gekrochen und hat eine Katze gestreichelt«, schilderte ein Beamter seinen Eindruck, der Mann sei »neben der Spur« gewesen. Der Frage, ob alles in Ordnung sei und der Bitte nach dem Ausweis folgten Schreie und ein Drohen mit schlagen und »vernichten«. Weil die Sache »verbal nicht zu lösen« war, griffen die Beamten zu härteren Mitteln und zwangen ihn zu Boden.
Es folgten Beleidigungen wie »Nazi-Schweine« und »Hurensöhne« und die Geste des Halsabschneidens. Dies alles passierte Weihnachten 2020. Ganz ähnlich das Geschehen am 14. Juli 2021, wo der Reichenhaller gegen den Oberschenkel einer der »Schwuchteln« trat. Schließlich erklärte er den Beamten, leicht an deren Adressen zu kommen und »dann hat man plötzlich eine Kugel im Kopf«.
Nachdem sich ein guter Freund umgebracht hatte, sei er »mit dem Nerven am Ende« gewesen, beteuerte der Angeklagte. Dennoch hatte er sich schon am Folgetag für sein Verhalten entschuldigt und tat dies im Gerichtssaal noch einmal.
Viermal schon war der 35-Jährige in psychiatrischer Behandlung gewesen. Von Ängsten, Wahn und Psychosen sprach Dr. Rupert Müller, von Persönlichkeitsstörung und einem Abhängigkeitssyndrom. Drogen und Alkohol führten zudem zu Enthemmung. »Ich war zu dieser Zeit immer leicht betrunken«, räumte der Angeklagte ein, doch würde er nie einen Menschen körperlich attackieren. »Aber es gibt Polizisten, die sehr herrisch auftreten.«
Bislang war es bei Geldstrafen geblieben. Nur einmal war der Reichenhaller in Österreich wegen versuchten schweren Betrugs zu sieben Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Eine Bewährung erachtete Rechtsreferendar Johannes Mertens auch hier für angemessen. Das »erhöhte Aggressionspotenzial« und die »zahlreichen Vorstrafen« veranlassten den Vertreter der Staatsanwaltschaft, 15 Monate zu beantragen. »Ein von Reue und Einsicht geprägtes Geständnis« sah Rechtsanwalt Jürgen Pirkenseer. Die Substitution zeige Erfolge, er habe Job und eine Wohnung, weshalb Pirkenseer neun Monate auf Bewährung für ausreichend erachtete.
Richter Josef Haiker betrachtete die »Gesamtumstände« und die glaubhafte Entschuldigung. Der Strafrichter entschied auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr sowie auf Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; beides setzte er auf drei Jahre zur Bewährung aus. Der Kurstädter steht nun unter Führungsaufsicht und muss sich einer stationären Suchttherapie unterziehen.
Hannes Höfer