Leben könnten gerettet werden, würden sich mehr Menschen bereits zu Lebzeiten dazu bekennen, ihre Organe nach dem Tod zu spenden. Möglich ist dies, und das ist sehr wichtig, ausschließlich im Fall irreparabler Hirnschäden und der Feststellung des sogenannten Hirntods, korrekt des »irreversiblen Hirnfunktionsausfalls«. Dabei kommen nur wenige Verstorbene überhaupt für eine Organspende infrage.
»Eine Organentnahme erfolgt vor allem bei Patienten, die nach schweren Schädelhirntraumata durch einen Unfall, spontane Blutungen im Schädel oder durch zu lange Sauerstoffunterversorgung des Gehirns einen irreversiblen, das heißt nicht mehr umkehrbaren Hirnfunktionsausfall (früher »Hirntod« genannt) erlitten haben. Atmung und Kreislauf können dann nur durch intensivmedizinische Maßnahmen aufrechterhalten werden. Ohne diese Maßnahmen wären diese Patienten auch im herkömmlichen Sinn »tot«, klärt Privatdozent Dr. Zucker auf und betont: »Es ist wichtig zu verstehen, dass die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls nicht nur mit dem Ziel der Organspende durchgeführt wird. Auch wenn Patienten nicht als Organspender infrage kommen oder zu Lebzeiten einer Organspende widersprochen haben, wird nach Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls die Therapie beendet.«
Rund 8 400 Patienten haben im letzten Jahr in Deutschland auf ein Spenderorgan gewartet, aber nicht einmal die Hälfte davon konnte ein lebensrettendes Organ transplantiert bekommen. Um mehr Menschen als potenzielle Organspender zu gewinnen, entkräftet Zucker auch die Sorge darüber, dass der Hirntod eventuell zu früh festgestellt wird, um Organe entnehmen zu können: »Der irreversible Hirnfunktionsausfall bedeutet das unwiederbringliche Erlöschen des Bewusstseins, inklusive der Atmung. Wie ein Hirntod diagnostiziert werden muss, ist gesetzlich genau festgeschrieben. Der Zustand muss von zwei in der Intensivmedizin und »Hirntodfeststellung« erfahrenen Ärzten – von denen einer Neurologe oder Neurochirurg und der andere Intensivmediziner sein muss – unabhängig voneinander überprüft werden. Beide Ärzte folgen dabei Schritt für Schritt einem festgelegten Protokoll und müssen sich gut in die Krankengeschichte des Patienten (also des potenziellen Spenders) eingearbeitet haben. Zudem dürfen sie nicht an der späteren Organentnahme und Transplantation beteiligt sein. Meist wird zusätzlich durch ein Elektroenzephalogramm das Erlöschen der Hirnströme (»Nulllinie«) oder durch eine Computertomografie des Gehirns der Abbruch der kompletten Durchblutung des Gehirns nachgewiesen.«
Gibt es für einen Empfänger einen passenden Organspender, kann eine Organtransplantation durchgeführt werden. Das nächste Transplantationszentrum ist das Uniklinikum Großhadern in München. Organentnahmen sind in jedem Krankenhaus in Deutschland möglich, das über eine Intensivstation und einen Operationssaal verfügt – also auch in Traunstein. Dort ist Holger Liermann, Oberarzt der Operativen Intensivstation und einer der Transplantationsbeauftragten des Klinikums, dafür verantwortlich, den Untersuchungsprozess anzustoßen und zu klären, ob der Patient als Spender geeignet ist. Im konkreten Fall bedeutet das: Ein irreversibler Hirnfunktionsausfall ist eingetreten und eine Zustimmung zur Organspende liegt vor. Eine Organspende ist nicht möglich, wenn es medizinische Kontraindikationen wie beispielsweise eine Blutinfektion oder eine Tumorerkrankung gibt. Spricht nichts gegen eine Organspende, werden Organe nur dann entnommen, wenn es dafür einen passenden Empfänger gibt. Um die Vermittlung kümmert sich die Stiftung »Eurotransplant« in Deutschland, Österreich, den Benelux-Ländern, Slowenien, Kroatien und Ungarn.
»Es könnten aber noch mehr sein, wenn sich Menschen vor ihrem Tod bewusst für eine Organspende entscheiden«, betont PD Dr. Zucker und erklärt, dass auch ältere Menschen als Organspender infrage kommen, da ihre Organe oft noch gut funktionieren. Organspender können also auch schon mal über 80 Jahre alt sein.
Es ist also immer wichtig – unabhängig vom Lebensalter – sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen und sich einen Organspendeausweis zu holen oder mit der Familie darüber zu sprechen, was im Todesfall mit den Organen passieren soll. »Für viele Angehörige ist es tröstlich, wenn der Tod eines geliebten Menschen ein anderes Leben retten kann«, weiß der erfahrene Mediziner. fb