In bestimmten Fällen können Gerichte nach Delikten im Straßenverkehr von eigentlich fälligen Fahrverboten absehen. Man spricht dann von einer Härtefallregelung. Diese kann zum Beispiel greifen, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes droht.
Doch das passiert nicht automatisch und es gelten strenge Anforderungen, wie eine Entscheidung des Bayerischen Oberlandesgerichts (BayObLG) zu einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter zeigt. (Az.: 201 ObOWi 405/25)
Betrunken auf E-Tretroller erwischt - Fahrverbot droht
Es ging in dem Fall um einen Mann, der mit seinem elektrischen Tretroller von der Polizei angehalten wurde. Es stellte sich heraus, dass er alkoholisiert war. Die Folge: eine Geldbuße von 500 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot.
Dagegen legte der E-Scooter-Fahrer Einspruch ein, beschränkte sich dabei aber auf die Rechtsfolge. Das heißt, er räumte zwar die Tat ein, doch wollte gegen das Strafmaß vorgehen – hier ging es um das Fahrverbot.
Vor dem zuständigen Amtsgericht hatte er damit Erfolg. Dort wurde er zu einer Zahlung von 1.000 Euro verurteilt, vom Fahrverbot sah man aber ab. Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein. Mit Erfolg.
Das Oberlandesgericht als nächste Instanz bemängelte die Urteilsbegründung des vorangegangenen Gerichts hinsichtlich des Fahrverbots. Von diesem wurde dort unter anderem abgesehen, weil das Vergehen mit einem E-Scooter begangen wurde. Der sei weniger gefährlich als ein Auto oder Kraftrad. Nach Ansicht des BayObLG ist das aber nur bei besonderen Umständen der Fall – auf sehr kurzen Strecken oder bei keinem anderen Verkehr beispielsweise. Solche Umstände wurden nicht dargelegt.
Besondere Härte? Gericht sieht Unstimmigkeiten
Zudem ging es noch um eine besondere Härte, die das Fahrverbot mit nach Angaben des Mannes mit sich brächte. Diese Aussage ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts ungeprüft übernommen worden.
So hatte der Mann zwar vorgebracht, dass er den Führerschein beruflich dringend brauche und weder Urlaub noch eine sonstige Kompensation seiner Arbeitsleistung möglich wären. Eine schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers dafür lag vor. Doch genau diese hätte das Amtsgericht genauer hinterfragen müssen. Denn das BayObLG erkannte Unstimmigkeiten.
So wurde vom Arbreitgeber etwa der Fachkräftemangel angeführt, der das Finden eines passenden Ersatzmannes unmöglich machen würde, außerdem wurde ins Feld geführt, dass ein Ersatzmann auch erst lange Wochen eingearbeitet hätte werden müssen.
Das Oberlandesgericht sah es aber als notwendig an, den Arbeitgeber zur Not dazu noch genauer zu befragen. Nämlich um - vereinfacht gesagt - zu klären, warum es dem Arbeitgeber nicht möglich gewesen sein sollte, eine viel kürzere Frist von einem Monat, also die Dauer des Fahrverbots, zu überbrücken, statt dem Betroffenen zu kündigen und monatelang jemanden neu einzuarbeiten.
Ebenfalls hatte der Mann das Umgangsrecht mit einem sechs Monate alten Baby als Härtefall angeführt, um das Fahrverbot abzuwenden. Auch dies ist in den Augen des Gerichts aber organisierbar und eben kein Härtefall. So wurde die Sache zur erneuten Verhandlung ans Amtsgericht zurückverwiesen. Über die Entscheidung des BayObLG hat der ADAC berichtet.
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