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Foto: Archiv Traunsteiner Tagblatt
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Das passierte am 23. Juli 1926: Die letzte Hinrichtung in Traunstein

Heute früh 5,30 Uhr fand der grauenhafte Lustmord von Hart, dem das 7 1/2-jähride Mädchen des Gastwirtes Steindl zum Opfer fiel, seine Sühne. Die Bestie Jakob Huber, Schuhmachermeister in Hart, wurde im Gefängnishofe hingerichtet. Huber, der schon 12 Jahre Zuchthaus wegen Brandstiftung und Raub verbüßt hat, hat kalt sein kindliches Opfer erdrosselt und sich dann an dem sterbenden Kinde unsittlich vergangen. Ueberführt und vor den Richter gestellt, zeigte er nicht die geringste Spur von Reue, im Gegenteil gefiel er sich in einem ganz gemeinfrechen Benehmen und glaubte seine Richter täuschen zu können, indem er sich geisteskrank stellte. Als ihm sein Todesurteil bekanntgegeben wurde, rief Huber laut in den Gerichtssaal: "D'Hauptsache ist, daß euch auch noch alle der Teufel holt!" 

Die kalten Gefängnismonate haben inzwischen den Verbrecher ernüchtert und er hat eingesehen, daß er sein Leben verspielt hat. Die wochenlange Todesangst hat auch diese kalte Verbrechernatur mit ihrer Grausamkeit, Verstocktheit und Wildheit gebrochen. Das bevorstehende blutige Ende seines verfehlten Lebens ließ den Mörder erschauern. Huber ist sehr abgemagert und sah in der letzten Zeit sehr schlecht aus. Er sprach sehr wenig und rechnete schon damit, daß er nicht begnadigt werde. Auf Befragen meinte er, er lasse sich nicht hinrichten, er richte sich vorher selber. 

Am Mittwoch in der Frühe um 5,30 Uhr wurde Huber durch den Staatsanwalt eröffnet, daß der Ministerrat von seinem Rechte der Begnadigung keinen Gebracht gemacht hat und daß das Todesurteil innerhalb 24 Stunden  an ihm vollstreckt werden muß.  Von der 24stündigen Gnadenfrist machte Huber Gebrauch. Der Delinquent hat ihn gebeten, daß ihm in den letzten Stunden sein Heimatpfarrer beistehen möchte, welcher infolgedessen herbeigeholten wurde. Huber wurde während der letzten 48 Stunden dauern von zwei Schutzleuten bewacht.

Gestern fand sich noch Frau Huber ein und nahm im Gefängnis von ihrem Manne den letzten Abschied.

Huber ist in den letzten Stunden ganz in sich gekehrt und hat von Herrn Erpofitus Hamberger von Hart noch die heiligen Sterbesakramente empfangen. Um 5 Uhr in der Fühe fanden sich im Gefängnishofe die vom Stadtoberhaupt bestellten 12 bürgerlichen Zeugen in schwarz ein. Die Hinrichtungsmaschine war mit schwarzen Vorhängen verhüllt.  Gegen halb 6 holten die beiden Scharfrichterassistenten den Delinquenten aus seiner Zelle um gleich darauf mit ihm im Gefängnishofe wieder zu erscheinen. Voran schritt der Geistliche, dann folgte Huber, rechts und links gestützt von seinen Henkern. Huber war sehr gefaßt und hatte die lebensbejahende Gesichtsfarbe verloren. Er wurde gegenüber einem Tisch mit dem Kruzifix und brennenden Kerzen auf eine Bank gesetzt. Der Gerichtsassistent verlas noch schnell das Urteil und dann wurden dem Huber die Augen verbunden und er am Rücken gefesselt. Im selben Moment öffneten sich die Vorhänge des Schafotts. Das Armesünderglöcklein übertonte mit seinen klangenden Lauten die letzten Worte des Verlorenen. Gleich darauf war Huber an die Maschine angeschnallt und im nächsten Moment sauste schon das Fallschwert hernieder. Herr Scharfrichter Reichhart, der in schwarzer Wichs und Zylinder den ernsten und traurigen Akt vollzog, machte die kurze stramme Meldung: "Urteil vollstreckt!" Die Leiche wurde mit dem nächsten Schnellzuge in die Anatomie nach München verbracht. 

Als Augenzeuge dieser Exekution wäre man fast versucht, sich von menschlichem Mitleid übermannen zu lassen; wenn man sich aber die Scheußlichkeit der Tat vor Augen führt, dann siegt die Ruhe. Menschen, die andere hinmorden, verwirken sich selbst das Leben und den Anspruch, Mitglieder der menschlichen Gesellschaft zu sein. Kalten Herzens kann man das Verbrecherblut fließen sehen. Ueber dem Schafott steht in unsichtbaren Lettern geschrieben: "Im Interesse der Menschlichkeit."

128 Jahre sind nun verflossen seit der letzten Hinrichtung in Traunstein. Am 28. November 1798 wurde in Traunstein der Schneider Anton Schmid von Högering bei Siegsdorf gehängt. Damals mußten bei Vollstreckung des Todesurteils zwei Ratsherren und sieben Bürger anwesend sein. Für den Scharfrichter galt noch ein anderer Tarifsatz. (...) Die letzte Hinrichtung in Bayern mit dem Schwerte fand im Jahr 1853 in München statt. Der damalige Scharfrichter Schellinger mußte nicht weniger als 7 Schläge ausführen bis es ihm gelang, seinem Opfer den Kopf abzuhauen. Die Hinrichtung mit dem Schwerte war nur in Bayern, im übrigen Deutschland verwendete man schon früher die Guillotine. Das jetzige Hinrichtungssystem kann man als human ansehen, der Eintritt des Todes erfolgt im Bruchteil einer Sekunde. Das Fallbein wiegt 94 Pfund. Herr Reichhard hat in dem Huber heute seine 19. Hinrichtung vollzogen. Er stellt auf Grund seiner Beobachtungen entschieden in Abrede, daß ein Mensch wenn ihm der Kopf vom Rumpfe getrennt ist, noch irgendein Lebenszeichen gibt. Die Verbrecher sind blitzartig tot. Man kann höchstens an dem Geköpften ein leises Zucken um den Mund beobachten. (...)