Ein Seemann, der sich gegen das Göttliche stellte, ist zum ewigen Umherirren verdammt. Hinter dem Mythos des Geisterschiffes aus Richard Wagners Oper »Der Fliegende Holländer« verbirgt sich ein zutiefst menschliches Drama: Da ringt einer mit Einsamkeit und Schuld. Seine Sehnsucht nach Erlösung ist so tief wie die Meere, die er mit seinem Schiff durchpflügt. Aus welcher Richtung der Wind auch bläst, nur ein Mensch, der ihn bedingungslos liebt, kann ihn voranbringen, erlösen – und den Fluch des ewig Suchenden brechen.
Wagner-Oper in einer modernen Inszenierung
In der Salzburger Felsenreitschule feierte Wagners beliebter Opernstoff in einer modernen Inszenierung von Carl Philip von Maldeghem Premiere: Der imposante Theaterraum im Mönchsberg bietet eine passende Kulisse für das Übergangswerk des Komponisten. Stefanie Seitz bestückte die Bühne mit einem modernen Schiffskorpus – eine schiefe Ebene mit Treppen, Reling und Planken. Das Sängerensemble, Chor und Extrachor hangelt sich an langen Seilen und in modernem Outfit durch ein rein optisch aufgefrischtes Schiffsabenteuer.
Es beginnt fast geheimnisvoll. Zwei riesige Segel in Rot und Weiß verhüllen während der Ouvertüre den Ort des maritimen Geschehens. Projektionen von Meereswellen und schäumender Gischt spülen in die Themen hinein. Da gelingt ein kraftvoller Wagnerscher Tsunami aus peitschenden Wellen von Blech und Streichern. Mal hört man das tobende Meer und die rastlose Fahrt des verfluchten Seemanns, mal die romantischen Regungen der mystischen Liebesgeschichte.
Leslie Suganandarajah führt das Mozarteumorchester durch das symphonische Tableau innerer wie äußerer Unruhen. Die Vorfreude steigt und schon ist das Publikum mit an Deck. Dort aber wird es hin und wieder seekrank, was wohl an den zahlreichen Schiffstauen liegt, an denen sich Ensemble und Chor allzu oft über die Szenerie hangeln – ein kleiner Störfaktor, über den aber die großartigen Gesangspartien hinwegtrösten. Ansonsten ist, ganz nach wagnerischer Manier, viel Bewegung auf der Bühne: Tanzende und feiernde Schiffsleute, ein verliebter und ungemein sympathischer Steuermann (Alexander Hüttner), der mit wunderbar lyrischem Tenor von seiner Geliebten an Land träumt und in der Spinnszene wird nicht das Spinnrad (des Lebens) gedreht, sondern werden von gut gelaunten Frauen Pakete ungewissen Inhalts gepackt.
Besetzung ein Volltreffer
Die Besetzung ist ein Volltreffer, der Chor eine Wucht. Magdalena Hinterdobler als selbstbewusste Senta, stimmlich wie darstellerisch souverän, tut sich leicht, ihren »Holländer« anzuhimmeln. Mit ihrer Stimme, die nicht nur Melodie, sondern auch Vision trägt, passt sie zu Derek Welton: Ein »Holländer«, der über enorme stimmliche Spannweite verfügt und glaubhaft Emotion transportiert. Das gilt auch für den großen Verlierer, Sentas Verlobten Eric (Sung Min Song). Nicht zuletzt gefällt Martin Summer als Daland (Sentas Vater) mit sonorem Bass: Gut gespielt ist sein Hang zur Gier. Er »verkauft« sein Töchterlein an den reichen Holländer – das allein erklärt deren Drang zur Flucht. Wie Wagners romantisches Schiffsabenteuer endet, lohnt sich, selbst zu erkunden.
Infos zu Karten und weiteren Aufführungen gibt es online. Kirsten Benekam