Mit dem Stück »Serenidad« in der eigens für diesen Anlass komponierten und somit uraufgeführten Quintettfassung für Klarinette, Violine, Fagott, Kontrabass und Harfe von Peter Michael Hamel aus Aschau begann der Abend, der bereits das 7. Konzert von Pföß im Rahmen der jurierten Jahresausstellung war. Melodiöse, behäbige, in sich ruhende Teile wechselten ab mit bewegteren Teilen mit einem Durcheinander der Stimmen, die dennoch eine gewisse Ordnung ausstrahlten.
Für Hamel bedeutet »Serenidad« nicht nur Gelassenheit, sondern auch Geistesgegenwart und die Fähigkeit, den in der Einsamkeit erarbeiteten inneren Frieden auch in Situationen des Überfordertseins, etwa durch das Getümmel einer Stadt, aufrecht zu erhalten. Mit der Interpretation und den geglückten Lösungen der Musiker für bestimmte Herausforderungen, etwa von Verena Meuers-Zeiser an der Harfe, zeigte sich der Komponist sehr beeindruckt.
Die skurrilen »Watts Towers« in Los Angeles, die der italienische Einwanderer Sabato »Simon« Rioda von 1921 bis 1954 in mühevoller Kleinarbeit aus Schrott, Müll und Beton errichtet hat, ließ Schlagzeuger Anno Kesting auf acht Trommeln höchst virtuos lebendig werden. In dem zerrissenen Puls des Stücks von Charles Boone aus San Francisco (geboren 1939) waren kräftige Schläge, »Fieselarbeit«, die hohe Trommeln darstellten, aber auch Ungeduld, Impulsivität und Zorn herauszuhören.
Ein spannender Kontrast dazu war die Uraufführung von »Des nachts« von Tilmann Kremser (geboren 1974), der in Hamburg und Chieming lebt. Höchst konzentriert interpretierten Anita Unterthiner an der Klarinette, Constanze Germann-Bauer an der Violine und Alejandro Vila am Fagott diese Klangstudie, die vor allem aus Stille und Pausen bestand. Zwischen den vereinzelten, meist solistisch gespielten Klängen und Intervallen entstand eine große Spannung und eine gewissermaßen meditative Atmosphäre.
Einen leichteren Zugang bot das Stück »Café« von Astor Piazzolla. Der 1992 verstorbene Altmeister des argentinischen Tangos schafft in dem temperamentvollen Werk eine schillernde Atmosphäre. Die Geigerin und Kontrabassistin Christiane Haselbeck mit tollem Strich und die Harfenistin verliehen dieser musikalischen Impression viel Leidenschaft, Farbigkeit und etwas Tänzerisches.
Für den Höhepunkt des Abends, das Sextett von Pföß, musste die Harfenistin erst mal umstimmen, denn Pföß hat das Werk »spektralharmonisch« komponiert. Er arbeitet mit den Grundtönen und den in der Naturtonreihe enthaltenen Obertönen. Inspiriert ist es von den elf Jahren Stadt-Erfahrung von Pföß in Hamburg, die ihn letztlich am Ende vor den Menschenmassen wieder fliehen ließ. Chance einer Stadt sei der Input, den sie gibt, das Zusammenkommen diverser Kulturen und den Raum für die Entstehung von Kultur, den sie bietet, erklärte der Komponist. Auf der anderen Seite habe sie etwas Bedrohliches.
Das Stück begann mit einer Geräuschkulisse, die an das gleichmäßige Rauschen des Verkehrs auf einer Schnellstraße erinnerte. Plötzlich wurde diese unruhiger, es entstand wildes Durcheinander, die Instrumentalisten nutzten diverse Techniken, wie die Bassistin das raue Anreißen der Saite, um die Szenerie noch eindringlicher zu schildern. Schrille Klarinettenklänge erinnerten an Hupen. Dazwischen wurde es ruhiger, eine poetische Klarinettenmelodie erklang.
Fagott, Harfe und Bass kreierten ein geheimnisvolles Pulsieren. Dazu gesellten sich zackige Weisen von Klarinette und Geige. Auf einmal wurde es still, Germann-Bauer setzte ein feines Flageolett hin und Kesting ließ das Schlagzeug raunen. Die Präsenz der Musiker begeisterte auch Zuhörer wie Helmut Wust, ehemals aktiver Cellist: »Es waren so viele Töne und Farben. Ich habe meistens die Augen zugemacht«, schildert er. Und jedes Instrument habe eine so große Vielseitigkeit gezeigt. Er findet solche Konzerte noch spannender als welche mit bekannten klassischen Werken. Der lange Applaus war dem Ensemble und den Komponisten gewiss.
Veronika Mergenthal