Seit Jahren versuchen Deutschlands katholische Bistümer, die vielen Fälle von sexuellem Missbrauch aufzuarbeiten. Aktuelle Beispiele: Augsburg und Trier. Die Missbrauchs-Studie in der Diözese Trier nimmt auch die Amtszeit von Reinhard Marx ins Visier - der heutige Münchner Kardinal war von 2002 bis 2007 dort Bischof.
Im Bistum Augsburg gingen die Verantwortlichen der Diözese jahrzehntelang nicht angemessen mit sexuellem Missbrauch an Kindern um: Dies hat eine unabhängige Aufarbeitungskommission festgestellt, die Missbrauchsfälle bis ins Jahr 1948 zurück untersuchte. »Vor 2002 standen die Interessen der Kirche eindeutig im Vordergrund«, sagte der Kommissionsvorsitzende Hubert Paul bei der Vorstellung der Studie. Danach seien Leitlinien und Strukturen zum Umgang mit Missbrauchstaten entstanden.
Die Untersuchung basiert auf der sogenannten MHG-Studie, die bundesweit die Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche untersucht hatte. In der neuen Studie ging es nun darum herauszufinden, wie die Augsburger Bischöfe und die Generalvikare mit Missbrauchsfällen umgegangen seien.
Fehlverhalten ging nach der Jahrtausendwende zurück
Während der Amtszeit der drei Bischöfe, die zwischen 1949 und 2004 die Diözese leiteten, stellte die Kommission überwiegend ein nicht angemessenes Verhalten bei Missbrauchsfällen fest. Während des Wirkens von Bischof Walter Mixa (2005-2010) ging das nicht angemessene Verhalten laut der Studie zurück, konnte allerdings immer noch in einem Drittel der Fälle dokumentiert werden.
Unter seinem Nachfolger Konrad Zdarsa (2010-2019) sank die Zahl des nicht angemessenen Handelns auf 5,9 Prozent der Fälle. Beim aktuellen Oberhirten Bertram Meier wurde kein Fehlverhalten festgestellt. Alle Bistumsverantwortlichen seien selbst auch nicht an Missbrauchstaten beteiligt gewesen.
Kommission schlägt Einladungsverbot für Priester vor
Die Kommission betonte, dass Kindesmissbrauch nie ganz verhindert werden könne. Dennoch sollte die Prävention im Augsburger Bistum weiter ausgebaut werden. Dies dürfe kein »Nischenthema« sein, sagte der Vorsitzende Paul, der vor seinem Ruhestand Präsident des Augsburger Sozialgerichts war.
Als weitere Konsequenz aus den früheren Missbrauchstaten schlug die Kommission vor, dass das Bistum den Klerikern generell verbieten könnte, unbegleitete Minderjährige in Pfarrhäuser oder Privatwohnungen einzuladen. 31 Prozent der in der Studie untersuchten Fälle hätten sich in diesen Räumen zugetragen.
Insgesamt wurden 193 Taten mit 156 Opfern untersucht. Es habe sich in zwei Dritteln der Fälle um Buben gehandelt, in einem Drittel um Mädchen.
Marx bittet um Verzeihung
Im Zuge der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Bistum Trier räumte auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx Fehler ein. Er war 2002 bis 2007 Bischof von Trier. Es sei ihm immer deutlicher geworden, dass er in seiner Zeit als Bischof von Trier die Thematik sexualisierter Gewalt und sexuellen Missbrauchs nicht so umfassend und klar wahrgenommen habe, wie das angemessen gewesen wäre, schrieb Marx in einer Stellungnahme.
»Mir ist bewusst, dass das Handeln der Trierer Bistumsleitung während meiner Amtszeit deshalb nicht immer so eindeutig war, wie ich mir das aus heutiger Sicht wünschen würde. Mit dem Wissen von heute würde ich natürlich manches anders machen, und wir handeln ja auch heute anders. Insbesondere gilt das für die Situation direkt und indirekt Betroffener.« Weiter schrieb Marx: »Das bedauere ich tief und bitte die Menschen um Verzeihung, denen ich nicht gerecht geworden bin.«
Vatikan lehnte Marx' Rücktritt 2021 ab
Historiker der Universität Trier stellten einen Bericht über den Umgang mit sexuellem Missbrauch in den Amtszeiten des früheren Trierer Bischof Reinhard Marx und dessen Nachfolger Stephan Ackermann vor. Daraufhin bat bereits der aktuelle Trierer Bischof Stephan Ackermann die Opfer um Verzeihung.
»Ich war sehr gerne Bischof von Trier. Umso mehr schmerzt es mich, dass ich erkennen muss, in dieser Verantwortung nicht allen Menschen gerecht geworden zu sein, die meiner bischöflichen Sorge anvertraut waren«, erklärte Marx weiter. »Betroffene haben in diesen Jahren in vielen persönlichen Gesprächen meinen Blick für das Versagen der Institution geschärft, für die ich als Bischof auch im Ganzen einstehe.« Marx war 2007 als Erzbischof von München und Freising nach Bayern gewechselt.
2021 hatte er dem damaligen Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten - er wolle »Mitverantwortung für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs« in der katholischen Kirche übernehmen, hieß es damals. Der Papst lehnte aber ab.
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