Ehemaliges "Gasthaus zur Brezel"
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In diesem Haus soll es zu dem Übergriff gekommen sein. (Archivbild) Foto: Andreas Arnold/DPA
Prozessauftakt wegen Strafvereitelung gegen einen Polizisten
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Der Angeklagte äußert sich vor Gericht nicht selbst zu den Vorwürfen. (Archivbild) Foto: Andreas Arnold/DPA

Haftstrafe für einen Polizisten wegen Strafvereitelung

Alzenau (dpa) - Ein Mann greift seine Freundin mit einem Messer an. Die Polizei rückt aus, ermittelt aber nicht gegen den Aggressor. Das hat nun ernste Folgen für einen Beamten.


Weil ein Polizist nach einer möglichen Straftat nicht gegen einen mutmaßlichen Messerstecher in Franken ermittelte, hat ihn das Amtsgericht Alzenau zu fünf Monaten Haft verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit auf drei Jahre festgelegt. Zudem muss er 3.000 Euro zugunsten einer Hilfsorganisation zahlen.

Der 29-Jährige habe sich der Strafvereitelung im Amt in einem minder schweren Fall schuldig gemacht, sagte Richter Torsten Kemmerer. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Der Angeklagte hatte als polizeilicher Sachbearbeiter kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, obwohl eine Frau im August 2024 in einer Flüchtlingsunterkunft in Alzenau (Landkreis Aschaffenburg) von ihrem Freund angegriffen worden sein soll. Der verdächtige Flüchtling soll fünf Monate später in Aschaffenburg zwei Menschen mit einem Messer getötet haben.

»Wir haben eine Ermittlung, die ist gleich null«, sagte der Richter und warf dem bisher nicht vorbestraften Angeklagten Gleichgültigkeit und Faulheit vor. Ein Polizeibeamter habe eine Straftat aufzuklären, auch bei schwierigem Klientel. »Er hat halt nix gemacht, gar nix.«

Anklage plädiert für Haftstrafe

Die Staatsanwaltschaft hatte für den angeklagten Polizisten eine Haftstrafe von eineinhalb Jahren verlangt. Der 29-Jährige habe gewusst, dass in Alzenau jemand verletzt worden sei und es Fotos gegeben habe: »Er wusste das«, sagte Oberstaatsanwalt Christoph Gillot. Dennoch habe er nicht ermittelt. »Wir haben eine gefährliche Körperverletzung mit einem Messer.«

»Wir wissen es wegen der Spurenlage (…), vom Video, und wir wissen es von den Angaben der Zeugen.« Durch das Unterlassen des Sachbearbeiters, die Staatsanwaltschaft zu informieren, sei nichts in die Wege geleitet worden. Dies sei als vollendete Strafvereitelung im Amt zu werten.

Ob durch Ermittlungen gegen den Flüchtling die tödliche Messerattacke des psychisch kranken Afghanen in Aschaffenburg verhindert worden wäre, sei ungewiss, sagte Gillot. Das sei auch unerheblich für diesen Fall.

Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Es sei nicht erwiesen, dass sein Mandant von einem Messer und den Verletzungen der Frau gewusst habe. Zudem sei eine gefährliche Körperverletzung für ihn nicht bewiesen.

Tote fünf Monate nach Vorfall von Alzenau

Der Verdächtige konnte nach der Attacke unbehelligt weiter in der Unterkunft leben. Am 22. Januar fuhr er nach Angaben von Ermittlern nach Aschaffenburg und tötete im Park Schöntal ein Kleinkind und einen Mann. Der Flüchtling soll Stimmen gehört haben, die in dazu bewegt haben sollen.

Der 28-Jährige ist nach Angaben eines Gutachters paranoid schizophren und war bei der Tat in Aschaffenburg wahrscheinlich schuldunfähig. Wegen Mordes und anderer Vorwürfe steht der geständige Mann derzeit vor dem Landgericht Aschaffenburg, das voraussichtlich am Donnerstag sein Urteil in dem sogenannten Sicherungsverfahren sprechen wird. Die Staatsanwaltschaft will den Flüchtling in einer psychiatrischen Einrichtung unterbringen lassen.

Motiv des Polizisten unklar

Warum der angeklagte Beamte im Fall Alzenau nicht ermittelte, konnte im Prozess nicht geklärt werden - der Mann äußerte sich dazu nicht. Allerdings wurde deutlich, dass es in der Polizeiinspektion damals Kommunikationsprobleme gab. So hatten sich die am Tatort eingesetzten vier Beamten nur unzureichend ausgetauscht. 

Dass ein Messer im Spiel gewesen sein soll, wollen sie nach eigener Aussage nicht gewusst haben. Nur einer der Polizisten registrierte die Verletzungen des Opfers und dokumentierte diese per Handy – eine ordentliche Vernehmung der Frau oder von Zeugen blieb aus.

Der Richter sprach von schlampiger Arbeit dieser vier Beamten. Während es zu einer Anklage gegen den 29-Jährigen kam, stellte die Staatsanwaltschaft die Verfahren gegen die drei anderen Kollegen ein.

Disziplinarverfahren?

Ob sich der Angeklagte nun einem Disziplinarverfahren stellen muss, ist unklar. Nach Angaben des Polizeipräsidiums Unterfranken werden bei Disziplinarverfahren mögliche Dienstpflichtverletzungen bewertet und gegebenenfalls sanktioniert. Bislang gab es keine Sanktionen für den Mann, er ist weiter im Dienst, wie er selbst vor Gericht angab. Liegt der Verdacht einer Straftat vor, wird laut Polizei die Einleitung eines Disziplinarverfahrens geprüft.

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