Das Medien-Echo nach der nächsten Liverpooler Demütigung war vernichtend, die Fans verließen erneut in Scharen vor dem Abpfiff das legendäre Stadion an der Anfield Road. Doch in der größten Krise seit der Saison 1953/54 macht sich Trainer Arne Slot noch keine Sorgen, zumindest nach außen. »Ich habe viel Unterstützung von oben. Es ist nicht das erste Mal, dass ich in einer schwierigen Situation bin. Ich spüre das Vertrauen«, sagte der 47-Jährige nach dem 1:4-Heimdebakel in der Champions League gegen die PSV Eindhoven.
Aber nach neun Niederlagen aus den letzten zwölf Spielen - zwei davon in den vergangenen vier Tagen in Anfield - wird die Trainerdiskussion beim FC Liverpool unweigerlich Fahrt aufnehmen. »Wenn man nicht gut spielt, ist es normal, dass Fragen gestellt werden«, sagte Slot, in der Vorsaison noch umjubelter Meistertrainer. Jetzt hat sich die Stimmung gegen ihn gedreht, die Fans buhten ihn und das Team wiederholt aus.
Presse sieht Horrorshow - Spieler ratlos
Die englische Presse attackierte den Niederländer nach der nächsten Pleite scharf. »Die Horrorshow in Anfield stürzt Arne Slot nach einem weiteren peinlichen Desaster in eine ausgewachsene Krise – es ist offensichtlich, dass seine Stars nichts mehr zu geben haben«, schrieb die »Daily Mail«.
Der »Telegraph« sprach von einer »Demütigung«, die weit mehr sei als eine Krise. Selbst die BBC sah eine »Horrorshow«. Für die »Times« wirkte Slot »überfordert« und »The Independent« schrieb: »Die miserable Saison der strauchelnden Reds wird immer schlimmer.«
Auch die Mannschaft ist ratlos. »Ich habe keine Antworten, da geht es mir wie allen anderen. Ich bin Spieler und Fan. Seit langer, langer Zeit habe ich keine Mannschaft mehr erlebt, die so schlecht spielt«, sagte Curtis Jones bei RTE Sport: »Ich spüre schon keine Wut mehr. Ich bin an einem Punkt, an dem mir die Worte fehlen. Wir stecken in der Scheiße und das muss sich ändern.«
Schlechteste Phase seit 1953/54
Der im Sommer mit beinahe einer halben Milliarde Euro verstärkte englische Meister, bei dem Nationalspieler Florian Wirtz erneut verletzt fehlte, durchläuft gerade die schlechteste Phase seit dem Abstieg im Jahr 1954. Damals blieben die Reds 15 Spiele in Serie sieglos, darunter waren zehn Niederlagen.
Das 0:3 bei Manchester City, das 0:3 gegen Nottingham Forest und das 1:4 gegen Eindhoven sind ebenfalls Negativrekord: Zuletzt hatten die Reds im Dezember 1953 drei Spiele in Serie mit mindestens drei Toren Unterschied verloren.
Vor allem die Abwehr wackelt immer wieder bedenklich, sieben Gegentore innerhalb von fünf Tagen im normalerweise festungsartigen Merseyside-Stadion sind Ausdruck der Verunsicherung. Gegen Eindhoven patzten Kapitän Virgil van Dijk und der Ex-Leipziger Ibrahima Konaté.
Slot: Weiter hart kämpfen
Der einzige Weg sei, sich »unserer Situation zu stellen und wirklich hart zu kämpfen«, sagte Slot bei TNT Sports. Auch für ihn sei die Niederlage gegen seine Landsleute ein »Schock«. Die Mannschaft müsse besser spielen und auch er müsse es besser machen. Ob Sportdirektor Richard Hughes nach einer möglichen nächsten Pleite am Sonntag beim Füllkrug-Club West Ham United Slot noch Rückendeckung gibt, ist aber fraglich.
Denn in der Premier League rangiert Liverpool als Zwölfter mit bereits sechs Niederlagen sogar hinter dem Lokalrivalen FC Everton. Mit neun Punkten aus fünf Spielen liegt Liverpool in der Königsklasse auf Rang 13. Zumindest die Playoff-Qualifikation sollte gelingen.
Liverpool-Legende Gerrard: Selbstvertrauen auf »Allzeittiefpunkt«
Slot konnte der PSV-Niederlage aber auch Positives abgewinnen. »Wir sind in das Spiel zurückgekommen und hatten genug Chancen, das 2:1 zu machen - ich denke, zur Halbzeit hat niemand damit gerechnet, dass wir 1:4 verlieren würden«, sagte der Fußballlehrer.
Für Liverpool-Ikone Steven Gerrard sind die Reds »zu offen, anfällig und instabil« und das Selbstvertrauen auf einem »Allzeittiefpunkt. Anfield erzählt eine Geschichte. Die Sitze sind leer«, sagte er mit Blick auf die unzufriedenen Fans, die bereits am vergangenen Wochenende beim 0:3 gegen Nottingham vorzeitig das Stadion verlassen hatten. Für Reds-Legende Steve McManaman verstärke sich die »enorme Kritik« an Slot »leider zu Recht. Er trägt die Verantwortung und es gab heute Abend wieder jede Menge Fehler«.
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