Für den 31-Jährigen, der schon einige Male bei Ultra-Radrennen auf dem Podest gestanden ist, war's der erste Sieg auf einer solch langen Distanz überhaupt. Dementsprechend groß war seine Freude: »Ich bin superhappy – vor allem auch, weil ich eine gute Zeit hatte und alles gegeben habe«, betonte er im Gespräch mit unserer Sportredaktion.
Einen Pokal oder eine Medaille bekam er für seine starke Vorstellung bei diesem »self-supported-Rennen« – also ein Wettkampf bei dem der Teilnehmer keine Unterstützung von außen bekommt – allerdings nicht. »Ich bin um 4 Uhr morgens ins Ziel gekommen, da gab's eine Umarmung – mehr nicht«, lachte er. Aber für ihn war das völlig in Ordnung. Alles in allem sei es »ein super Wettkampf« gewesen. »Die Gegend war schön, das Rennen top organisiert und die Hüttenwirte an den Checkpoints haben einen sehr nett empfangen.«
Lindert trat die Reise in die Schweiz zusammen mit Florian Reiterberger an – und das relativ spontan. Erst in der zweiten Verlosungsrunde für den Wettbewerb hatten beide Glück und bekamen jeweils einen Startplatz für die kleine Veranstaltung, bei der überwiegend Schweizer am Start gewesen sind.
»Wir waren beide zuletzt ein bisschen gefrustet und wollten daher unbedingt ein Rennen machen«, berichtete Lindert. Denn sowohl für Lindert, der in diesem Jahr schon starker Dritter beim »Race across Italy« in der Kategorie »non supported« geworden ist, als auch für Reiterberger lief ihr letztes Rennen beim Ultracycling Dolomitica alles andere als nach Plan. Beide musste krankheits- bzw. verletzungsbedingt aufgeben. Lindert hatte mit unerklärlichen Schmerzen in der Ferse zu kämpfen. Reiterberger plagte ein Belastungs-Asthma.
»Aber für das Rennen in der Schweiz habe ich wieder grünes Licht vom Doc bekommen«, betonte Reiterberger. Auch der Extremsportler aus Eggstätt konnte es beenden und war damit »sehr zufrieden, denn ich wusste lange nicht, ob ich überhaupt starten kann«.
Insgesamt galt es, im Kanton Bern rund 500 Kilometer mit 9000 Höhenmeter zurückzulegen. Start und Ziel war in Burgdorf. Die Teilnehmer mussten insgesamt sechs Checkpoints in einer gewissen Reihenfolge abfahren, die Routenwahl zwischendurch war frei wählbar. Lindert und Reiterberger tüftelten im Vorfeld gemeinsam die Strecke aus. »Das Finetuning hat dann jeder für sich gemacht«, erzählte Reiterberger.
»Nur in der Nacht war's wirklich angenehm«
Für beide begann das Rennen gut. Lindert entschied sich dazu, »gleich am Anfang relativ hart zu fahren, denn ich wollte meine Ruhe haben«. Sein Plan ging auf: Die Konkurrenten ließ er schnell weit hinter sich. Das Einzige, mit dem Lindert zu kämpfen hatte, war die Hitze. »Nur in der Nacht war's wirklich angenehm zu fahren«, lachte er. Am Tag blieb er bei jedem Brunnen stehen, um sich zu kühlen und Wasser nachzufüllen. »Einige mussten das Rennen wegen der Hitze letztlich auch aufgeben«, berichtete der Extremradsportler, der mit seiner Familie in Winkl bei Grabenstätt wohnt.
Lindert biss sich aber durch – und er wusste schon gut 100 Kilometer vor dem Ziel, dass er das Rennen gewinnen wird. Sein Vorsprung war groß genug, betrug zu diesem Zeitpunkt schon immer um die zwei Stunden – und die letzten Kilometer waren auch überwiegend flach. »Da hab ich mir an den letzten Checkpoints dann auch ein bisschen mehr Zeit gelassen und habe auch mal die Aussicht genossen.«
Nur einmal musste er dann doch kurz zittern. »Da hätte ich im Vorfeld die Route wohl besser anschauen sollen«, lachte er. Denn es ging überaus steil – teilweise waren es 20 Prozent – einen Berg hinauf und das auf einer mehr als schlechten Schotterstraße mit dem Rennrad. »Ich bin grad noch so hochgekommen«, sagte er. Aber rauf gehe es immer irgendwie. »Mein Problem war: Wie geht es auf der anderen Seite wieder runter?« Doch Lindert hatte Glück: Die Straße war auf der anderen Seite asphaltiert und so ließ er keine Zeit liegen. »Das war kurz mal spannend.«
Und so kam Nicolas Lindert nach 19:49 Stunden ins Ziel und hatte damit sage und schreibe 2:46 Stunden Vorsprung auf den Zweiten Dominic Burri. Der Drittplatzierte Benedikt Rössler benötigte 23:56 Stunden. Lindert blieb trotz seiner beeindruckenden Vorstellung bescheiden. »Mir ist es ganz gut gegangen. Die Distanz ist super für mich und ich konnte in der Nacht sehr gut durchdrücken«, sagte er. Wie dominant er allerdings wirklich war, brachte Florian Reiterberger auf den Punkt: »Das war eine absolut irre Vorstellung von Nico«, sagte er. »Viele der anderen Teilnehmer haben nur noch von der Maschine gesprochen.«
Auch Reiterberger fuhr bis zum ersten Checkpoint ganz vorne mit. Er war zu diesem Zeitpunkt Dritter. Danach »hat mich aber die Bullen-Hitze komplett zerlegt«, berichtete er. Reiterberger legte sich deshalb eine halbe Stunde zum Schlafen hin und sammelte am nächsten Checkpoint wieder Kräfte. »Ich wollte das Rennen eigentlich unter 30 Stunden finishen, aber dann hat für mich nur noch das Finish gezählt«, berichtete er.
Denn vor dem Ultracycling Dolomitica musste er Anfang des Jahres auch schon das Rennen in Ruanda abbrechen, weil seine Lebensgefährtin Tina Gröne mit einer Lebensmittelvergiftung damals nicht mehr weiter konnte. »Drei DNFs (»did not finish«, das Rennen nicht beendet, Anm. d. Red.) in Folge wären nicht so toll gewesen«, gab er zu. Auch der Eggstätter biss sich in der Schweiz jetzt aber durch und beendete das Rennen nach 32:40 Stunden auf Platz 27.
Auch sein Fazit fiel überaus positiv aus. »Das war eine sehr schöne Veranstaltung, die mit sehr viel Liebe gemacht ist. Man hat gesehen, dass der Veranstalter den Leuten eine schöne Zeit auf dem Rad bescheren wollte und nicht primär Kohle damit machen wollte. Allerdings war's keine gemütliche Ausfahrt, sondern da waren schon sehr knackige Anstiege dabei. Da musste man sich schon Vollgas schinden.« Nicolas Lindert und Florian Reiterberger machten das einmal mehr eindrucksvoll – und wurden dafür am Ende auch belohnt. SB