Baustelle Tiefbahnhof Stuttgart 21 - Eingangsportal
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Am Tiefbahnhof Stuttgart 21 werden Ende des kommenden Jahres wohl nicht wie geplant die ersten Fernzüge halten. (Archivbild) Foto: Bernd Weißbrod/DPA
Baustelle Tiefbahnhof Stuttgart 21
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Stuttgart 21 wird doch nicht wie geplant Ende 2026 fertig. (Archivbild) Foto: Bernd Weißbrod/DPA
Baustelle Stuttgart 21
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Die Bauarbeiten für Stuttgart 21 laufen seit 2010. (Archivbild) Foto: Bernd Weißbrod/DPA

Stuttgart 21: Teileröffnung Ende 2026 wohl geplatzt

Stuttgart (dpa) - Wann die ersten Fahrgäste am Tiefbahnhof Stuttgart 21 ein- und aussteigen werden, ist wieder völlig offen. Die für Ende 2026 geplante Teileröffnung ist wohl vom Tisch. Neues Datum? Fehlanzeige.


Die Ungewissheit rund um das Milliarden-Bauprojekt Stuttgart 21 geht weiter. Selbst die für Ende des kommenden Jahres geplante Teileröffnung des Tiefbahnhofs will die Bahn nun vollständig absagen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Projektpartner und des Aufsichtsrats erfuhr. Alle Züge sollen demnach auch 2027 ausschließlich im oberirdischen Hauptbahnhof halten. Wann der neue Bahnhof eröffnen wird, ist demnach völlig offen. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet. 

Die Deutsche Bahn teilte auf Anfrage mit, sie habe den Aufsichtsrat im September und den Lenkungskreis im Oktober bereits darüber informiert, dass für das Bauvorhaben inklusive des sogenannten Digitalen Knoten Stuttgarts (DKS) weiterhin Terminrisiken bestünden. »Diese haben sich insbesondere im Bereich Entwicklung und Zulassung bei unserem Auftragnehmer sowie bei der Freigabe von Planungen ergeben«, hieß es. 

Technische Probleme bei der Digitalisierung

Diese Risiken hätten sich weiter erhärtet. Eine Entscheidung sei aber noch nicht getroffen, teilte die Bahn weiter mit. Das Thema solle demnach im Aufsichtsrat besprochen werden. Die nächste Sitzung des Kontrollgremiums ist für den 10. Dezember geplant. 

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sind technische Probleme bei der Digitalisierung und beim Bau des Bahnhofs Grund für die erneute geplante Verschiebung. Im Juli hatte die Bahn noch angekündigt, Stuttgart 21 im Dezember 2026 zumindest teilweise in Betrieb nehmen zu wollen. 

Der Fernverkehr und ein Teil des Regionalverkehrs sollten ab dann in den neuen Tiefbahnhof fahren, ein Teil des Regionalverkehrs dagegen bis Juli 2027 weiter im alten oberirdischen Kopfbahnhof enden, wie die Bahn (DB) damals mitteilte. Zuvor war geplant gewesen, den Tiefbahnhof im Dezember 2026 vollständig zu eröffnen und den Betrieb im alten Kopfbahnhof einzustellen.

Verkehrsminister: Bahn offenbar überfordert

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann nannte die erneute Verschiebung »eine fatale Nachricht« vor allem für Bahnfahrende. »Das letzte bisschen Vertrauen in die Bahn wird mit dieser Ankündigung verspielt«, sagte der Grünen-Politiker und ergänzte: »Die Deutsche Bahn vertröstet, beschönigt, verzögert und die Kosten steigen. Offenbar ist die Bahn mit diesem Großprojekt überfordert.« 

Aus Sicht des Fahrgast-Verbands Pro Bahn ist die erneute Verschiebung eine Riesen-Blamage. »Die Verschiebung schadet erneut dem Image der Bahn«, sagte der Pro-Bahn-Chef Detlef Neuß der »Rheinischen Post.« Der Baden-Württembergische Landesverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) forderte, dass neuerliche Planungen »endlich realistische zeitliche Puffer« berücksichtigen müssten und den bestehenden Kopfbahnhof für mehrere Jahre weiterhin in Betrieb hielten. 

Schon mehrfach verschoben 

Gebaut wird an dem Projekt bereits seit 2010. Die Inbetriebnahme war bereits mehrfach verschoben worden, zuletzt auf Dezember 2026. Bei Abschluss der Finanzierungsvereinbarung im Jahr 2009 war man von einer Eröffnung 2019 ausgegangen. 

Die Gründe für die mehrmaligen Verschiebungen sind laut Bahn unterschiedlich: Klagen gegen das Projekt und geänderte Auflagen etwa beim Brandschutz. Weitere Faktoren für die Verzögerungen seien der »geologisch anspruchsvolle Untergrund im Stuttgarter Stadtgebiet« oder aufwendige Genehmigungsverfahren durch geänderte Gesetze beim Artenschutz.

Neuordnung des gesamten Bahnknotens Stuttgart

Das Projekt Stuttgart 21 steht nicht nur für den Bau des neuen Hauptbahnhofs in der Landeshauptstadt, sondern für die komplette Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart. Gebaut werden neue Bahnhöfe - etwa ein neuer Fernbahnhof am Flughafen -, Dutzende Kilometer Schienenwege und Tunnelröhren, Durchlässe sowie Brücken. 

Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm schließt neben Stuttgart 21 auch den Neubau der bereits 2022 eröffneten Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm ein. Herzstück von Stuttgart 21 ist der neue unterirdische Hauptbahnhof, der im Gegensatz zum bisherigen Kopfbahnhof ein Durchgangsbahnhof sein wird.

Arbeiten komplizierter als gedacht

Im Rahmen von Stuttgart 21 wird der Bahnknoten in Stuttgart zugleich als erster bundesweit komplett digitalisiert. Züge des Fern- und Regionalverkehrs sowie S-Bahnen sollen dann mit dem digitalen Zugsicherungssystem ETCS fahren - und zwar nur damit. Klassische Lichtsignale werden im Stuttgarter Bahnknoten nicht mehr verbaut. 

Die Arbeiten gestalten sich aber komplizierter als gedacht, in der Präsentation für die jüngste Sitzung des Lenkungskreises hieß es, die Arbeiten seien weiterhin abgespannt. Die umfangreichen Arbeiten für die Digitalisierung führte die Bahn auch als Grund für die vorletzte Verschiebung der Inbetriebnahme auf Dezember 2026 an.

Kosten steigen von Jahr zu Jahr 

Auch die Kosten für das Projekt haben sich über die Jahre steil nach oben entwickelt. In einem Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 ist nur die Verteilung von Kosten bis zu einer Höhe von gut 4,5 Milliarden Euro geregelt.

Bis vor Kurzem bezifferte die Bahn die derzeitigen Kosten auf rund 11 Milliarden Euro, eingeplant ist zudem ein Puffer von 500 Millionen Euro. Dieser ist inzwischen schon fast aufgebraucht: In der Mai-Sitzung des Lenkungskreises informierte die Bahn die Projektpartner darüber, dass sich die Kosten inzwischen auf rund 11,3 Milliarden Euro summierten. 

Im August hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) entschieden, dass die Bahn die milliardenschweren Mehrkosten alleine tragen muss. Das oberste Verwaltungsgericht des Landes lehnte einen Antrag auf Zulassung der Berufung der Bahn gegen ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart ab. Die bundeseigene Bahn kündigte Ende Oktober an, nicht weiter gegen das Urteil vorzugehen.

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