Ein Mann lehnt nachdenklich an einer Hauswand
Bildtext einblenden
Psychische Erkrankungen sieht man Betroffenen nicht an. Umso wichtiger ist es, die Symptome zu kennen - etwa Rückzug. Foto: Christin Klose/DPA
Eine Person steht hinter einer nassen Scheibe
Bildtext einblenden
Für Betroffene, Angehörige oder Freunde wichtig zu wissen: Depressionen ist behandelbar. Foto: Bernd Thissen/DPA

Was hilft, depressive Menschen besser zu verstehen

Düsseldorf/Frankfurt (dpa/tmn) - Wer depressiv ist, stößt im Umfeld oft auf Unsicherheit und Unverständnis. Experten erklären, was Angehörige und Freunde wissen müssen, um einem erkrankten Menschen gut beiseite stehen zu können.


Einem Menschen, der einst voller Energie und Lebenslust war, fehlt plötzlich jeder Elan. Er oder sie ist antriebslos, schwermütig, zeigt keinerlei Interessen – noch nicht einmal an Dingen, die früher Herzensangelegenheiten waren – und zieht sich zurück, aus der Partnerschaft und aus Freundschaften, im Job. Es geht um Depressionen. Sie gehören laut Bundespsychotherapeutenkammer zu den häufigsten psychischen Erkrankungen.

Rund 16 Prozent der Bevölkerung leiden demnach mindestens einmal in ihrem Leben an einer depressiven Störung. Das ist nicht nur für Betroffene eine schwere Phase. Auch für ihre Angehörigen und Freunde ist es schwierig, zumal sie oftmals nicht nachvollziehen können, was mit dem oder der Betroffenen eigentlich los ist.

Wie sich ein depressiver Mensch fühlt

Depressive fühlen sich zumeist permanent energielos und ausgelaugt. »Oft haben sie einen Druck und ein Schweregefühl im Brustbereich«, sagt die Düsseldorfer Psychiatrie-Professorin Eva Meisenzahl-Lechner. Ihre anhaltend gedrückte Stimmung geht mit dem Verlust von Interessen und Antriebslosigkeit einher.

»Zu Gefühllosigkeit und Erschöpfung können zusätzlich Sorgen und Ängste kommen«, erklärt Professor Ulrich Hegerl von der Universität Leipzig. Eine Depression im klinischen Sinne liege vor, wenn Symptome wie Antriebs-, Freud- und Lustlosigkeit über mindestens zwei Wochen anhalten. Ein solcher Zustand kann nicht nur die Lebensqualität stark einschränken, sondern auch den Alltag.

Warum es Außenstehenden oft schwerfällt, sich in einen depressiven Menschen hineinzuversetzen

»Depressiv zu sein ist ein Zustand, den Nicht-Betroffene einfach nicht nachvollziehen können«, sagt Hegerl. Er nennt ein Beispiel: Jemand hat eine nette Familie, einen tollen Job und keine finanziellen Sorgen. »Trotz dieser Lebensumstände kann jemand depressiv sein – und das verstehen Außenstehende oftmals nicht«, so Hegerl, der Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe ist.

Hinzu kommt: »Für Außenstehende ist es schwer zu akzeptieren, dass Depressive auf dem Höhepunkt ihrer Erkrankung nicht den Willen haben, etwas an ihrer Lebenssituation zu verändern«, sagt Meisenzahl-Lechner. Oder die Kraft. 

Von Reaktionen wie »Wenn du wollen würdest, könntest du auch aus dem Tal herauskommen« oder »Jetzt stell dich doch mal nicht so an« rät sie dringend ab. Angehörige und Freunde müssten die Depression ihres Gegenübers akzeptieren. Das ist die Grundlage.

Was Angehörige und Freunde tun können

1. Informieren: »Wichtig ist, dass sich Angehörige und Freunde informieren, was eine Depression ist und wie sie entstehen kann«, sagt Hegerl. Infos über Ursachen und Auslöser gibt es beispielsweise auf der Website der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. So können etwa eine genetische Veranlagung, Spannungen oder Veränderungen in der Familie oder auch ein toxisches Arbeitsumfeld eine Depression hervorrufen, sie muss aber nicht immer einen solchen Auslöser haben.

2. Ärztin oder Arzt für Diagnose aufsuchen: Wer länger als zwei Wochen permanent depressiv ist, sollte für eine sichere Diagnose so schnell wie möglich die Hausärztin oder den Hausarzt aufsuchen, Angehörige können dabei unterstützen und Begleitung anbieten.

Weigert sich der oder die Betroffene einen Arzt aufzusuchen, sollten Angehörige oder Freunde selbst die Initiative ergreifen und für den Betroffenen einen Termin vereinbaren, so Meisenzahl-Lechner. Dabei auch immer wieder der womöglich erkrankten Person signalisieren: »Ich sehe, es geht dir nicht gut, lass dich doch mal durchchecken.«

In der Hausarztpraxis sollte auch eine umfassende körperliche Untersuchung erfolgen, sagt die Medizinerin. So können depressive Verstimmungen etwa auch mit einer anderen Erkrankung zusammenhängen. Die Symptome verschwinden dann mit einer entsprechenden Therapie. Ergibt die Untersuchung, dass der Patient oder die Patientin eine Depression hat, sollte so schnell wie möglich eine Behandlung beginnen.

3. Auf leicht zugängliche Hilfsangebote hinweisen: Angehörige und Freunde können einem offensichtlich depressiven Menschen etwa die Telefonseelsorge nennen, wo man sich täglich rund um die Uhr, kostenfrei und anonym beraten lassen kann (Telefon 0800/ 111 0 111 oder 0800/ 111 0 222 sowie online).

Auch Online-Foren zu Depression können nützlich sein. Der Vorteil: »Der Zugang zu Informationen und Erfahrungsberichten anderer Menschen mit Depression ist niederschwellig«, sagt Hegerl. Meist könne man sich anonym austauschen. Fachlich moderiert wird etwa »Diskussionsforum-depression.de«.

Austausch bieten auch Selbsthilfegruppen, sie findet man etwa über die Datenbanksuche der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen. Wichtig: Ein Ersatz für eine Behandlung ist das natürlich nicht.

Eine Depression hat sowohl psychosoziale Aspekte als auch körperliche. Je nach Schwere der Erkrankung ist laut Meisenzahl-Lechner eine Behandlung mit Antidepressiva angezeigt, außerdem eine Psychotherapie. »Wenn dies alles kein Erfolg bringt, dann nicht warten, sondern mit dem Arzt oder mit der Ärztin andere Therapieformen erörtern«, so die Professorin.

Wo Angehörige Unterstützung finden

»Die Depression eines Angehörigen ist eine Belastung für die ganze Familie«, sagt Hegerl. Daher sollten alle, die eine depressive Person betreuen, ihre eigenen Grenzen kennen und sich öfter etwas Gutes tun: Zum Beispiel soziale Kontakte pflegen oder Hobbys nachgehen. Für die eigene Unterstützung ist es von Vorteil, wenn alle in der Familie an einem Strang ziehen und sich gegenseitig entlasten. 

Hilfe, Beratung und Betreuung für Angehörige und ihre erkrankten Familienmitglieder gibt es etwa über den Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK). Oft bieten auch die Krankenkassen Informationen und Unterstützung an. Per Mail berät auch die Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

© dpa-infocom, dpa:251008-930-139323/1