Bildtext einblenden
1931 errichtete der Architekt Albert Breslauer für den Zeitungsverleger Dr. Wolfgang Huck am »Boschberg« eine Villa. (Foto: Architekturmuseum TU Berlin, Inv. Nr.: F16117) Foto: Architekturmuseum der Technischen Universität Berl

Geheimnisvoller »Boschberg«

Bischofswiesen – So einsam das Bogensberglehen hoch über der Strub an den Hängen des Sillbergs liegt, so ruhig ist es jüngst auch in der öffentlichen Wahrnehmung um das geschichtsträchtige Anwesen in Premiumlage geworden. Seit dem Tod von Konsul Bruno H. Schubert und den folgenden juristischen Auseinandersetzungen um sein Erbe blieben die millionenschweren Umbau- und Erweiterungspläne der neuen Eigentümer, die um möglichst große Diskretion bemüht sind, von der Bevölkerung weitgehend unbeachtet. Tatsächlich tat sich seit der vor acht Jahren erfolgten Baugenehmigung am »Boschberg«, wie die Einheimischen das Anwesen nennen, nur wenig. Und die tatsächlichen Bauherren sind nicht greifbar. Eine Chronologie der Ereignisse. 


Seit Jahrzehnten ist der »Boschberg« für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Ein hoher Zaun und schwere Eisentore sollen Neugierige vom Betreten der Anlage abhalten. Das ist aktuell so und war zuvor unter Konsul Bruno H. Schubert, der lediglich seine oft prominenten Gäste und eine kleine Abordnung handverlesener Einheimischer auf seinem Anwesen empfing, nicht anders. Dabei war der »Boschberg« im beginnenden 20. Jahrhundert sogar ein Ausflugsort. Zahlreiche Einheimische und Touristen nutzten vom Bahnhof aus die Bustaxis, die über eine eigens angelegte Fahrstraße die aussichtsreiche Hochfläche erreichten. Dort betrieb die Familie Hofreiter die Ausflugsgaststätte »Boschberg«, wo man gerne einen freien Tag verbrachte und die Aussicht genoss.

Anfang der 30er-Jahre war es dann vorbei mit dem Rummel hoch über der Strub. Der Unternehmer und Zeitungsverleger Dr. Wolfgang Huck (Münchner Zeitung, Münchner Merkur) erwarb das Anwesen und ließ hier von dem berühmten Architekten Prof. Alfred Breslauer eine neue Villa im für die Gegend typischen Stil” erbauen.

Die Ära von KonsulBruno H. Schubert

Anfang der 70er-Jahre wechselte das Anwesen erneut den Besitzer. Der Frankfurter Bierkönig Bruno H. Schubert, Generalkonsul von Chile, kaufte sich am Boschberg ein und modernisierte das Anwesen in zeitgemäßem Stil. Wer von dem zu damaliger Zeit hoch angesehenen und gut vernetzten Unternehmer und seiner Frau Inge eingeladen wurde, gehörte zu einer privilegierten Gruppe prominenter oder einheimischer Persönlichkeiten. Regelmäßige Gäste im Bogensberglehen waren unter anderem der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher, begleitet von verschiedenen Staatsgästen, und Vertreter der heimischen Bergwachten, die von dem Ehepaar mit großzügigen Spenden bedacht wurden. Für sein Engagement im Umweltschutz erhielt Bruno H. Schubert zahlreiche Auszeichnungen, 1984 gründete er zu diesem Zweck zusammen mit seiner Frau Inge auch die Bruno H. Schubert-Stiftung.

Von all dem Glanz blieb nach dem Tod Bruno H. Schuberts im Jahr 2010 nicht mehr viel übrig. Neben den Erbstreitigkeiten zwischen Schuberts zweiter Frau Meharit und der Familie gab es auch Ermittlungen wegen angeblicher unterlassener Hilfeleistung und sogar wegen Mordes gegen die junge Witwe. Bis heute kämpft der Sohn Schuberts um die Zulassung einer Klage. Immerhin bestätigte die 5. Zivilkammer des Frankfurter Landgerichts bereits im Jahr 2011 Meharit als Alleinerbin Schuberts. Am Ende aber stand sie dennoch fast mit leeren Händen da. Denn laut »Bild«-Zeitung hinterließ ihr verstorbener Ehemann zwar über 18 Millionen Euro, hatte aber noch offene Rechnungen von über 7 Millionen Euro. Dazu kamen erhebliche Steuerschulden. Anwälte begaben sich – nur teilweise erfolgreich – auf die Suche nach den Millionen des Unternehmers, Konsuls und Mäzens.

Die Millionärsvilla wird versteigert

2012 hieß es dann in den Medien »Schuberts Millionärsvilla wird versteigert«. Denn das Bogensberglehen mit einem Schätzwert von 9,8 Millionen Euro war das einzig greifbare Vermögen Schuberts, von dem der Insolvenzverwalter einen Erlös erwartete. Im Internet wurde das „Anwesen näher beschrieben: 890 Quadratmeter Wohnfläche, 20 Zimmer, 188 .000 Quadratmeter Grundstücksfläche, 8 Schlafzimmer, 8 Badezimmer, Baujahr 1931, Ausstattung gehoben. Des Weiteren war von Luxus, großen Rasenflächen, Seerosenteich, großzügiger Poloanlage mit eigenem Badehaus und Sauna, von Haupthaus, Gesindehaus, Stallungen und Remise die Rede.

Am 12. März 2013 meldete dann der »Berchtesgadener Anzeiger«, dass das Bogensberglehen einen neuen Eigentümer hat. Bekannt war damals nur, dass eine Vermögensverwaltungs GmbH mit Sitz in Hamburg den Zuschlag erhalten hatte. Wenig später, als in der Gemeinde Bischofswiesen eine Bauvoranfrage einging, war klar, dass es sich um die sogenannte Bogperle Vermögensverwaltungs GmbH handelt. Die Gesellschaft soll das Anwesen für 6,8 Millionen Euro über den Insolvenzverwalter erworben haben. Hinter der GmbH steckt nach »Anzeiger«-Informationen der Milliardär Axel Oberwelland, Eigentümer der August Storck KG, Berlin. Der in Bielefeld geborene Berliner ist einer der reichsten Männer Deutschlands, sein Vermögen wird auf 4 Milliarden Euro geschätzt. Der Süßwarengigant (unter anderem Hersteller der Marken »nimm2«, »Merci«, »Campino«, Toffifee« und »Werthers Echte«) beschäftigt über 7 000 Angestellte.

Einer Bauvoranfrage der GmbH, damals eingereicht von Architektin Carla Doberas vom Hamburger Architekturbüro gasp architecture GmbH, erteilte der Bauausschuss der Gemeinde Bischofswiesen am 8. April 2014 mit 7:1 Stimmen das Einvernehmen, im November 2015 erteilte schließlich das Landratsamt die endgültige Baugenehmigung. Damit sind umfangreiche und millionenschwere Um- und Neubauten genehmigt, die den längst verblichenen Luxus ehemaliger Zeiten im Bogensberglehen auf ein ganz neues Level heben sollen. Im Sitzungsprotokoll heißt es: »Der Neueigentümer möchte diesen außergewöhnlichen Landsitz als Wohnsitz für seine gesamte Familie und sein Personal nutzen sowie persönliche Gäste beherbergen können.« Um eine Anpassung an die heutigen Lebens- und Wohnbedürfnisse sowie die Nutzungsvorstellungen des Bauherren zu erreichen, seien im gesamten bebauten Areal verschiedene Sanierungen, Umbauten und Erweiterungen erforderlich.

Teure Umbaupläne über und unter der Erde

Ein Auszug aus dem geplanten Maßnahmenpaket: Verlängerung des Haupthaus-Westflügels mit Einbau eines Schwimmbades, Erweiterung des Nebengebäudes mit Einbau eines Aufzugs, Modernisierungsarbeiten im Inneren mit teilweiser Öffnung der Geschoßdecken, Ersatz des eingeschoßigen Kasers durch ein Gästehaus, Ersatz der Remise durch ein Personalhaus, Neubau eines eingeschoßigen Security-Gebäudes mit Funktions- und Aufenthaltsräumen für das Sicherheitspersonal. In einem unterirdischen Baukörper, der an alle Gebäude und den Aufzug angebunden ist, sollen außerdem Stellplätze, Fuhrpark für Bewirtschaftung, Müllraum, Anlieferung, Lagerflächen, Energiezentrale, Werkstatt und Hausmeisterraum untergebracht werden. Durch den Garagenbau können das bestehende Badehaus und der genauso baufällige Außenpool nicht mehr erhalten werden. Hier, oberhalb der Garage, soll es künftig ein neues Sporthaus und eine Sportfläche geben.

Ursprünglich sollte die Garageneinfahrt vom Bogensbergweg aus erfolgen. Allerdings kann nach »Anzeiger«-Informationen aufgrund der Eigentumsverhältnisse der Bogensbergweg nun nicht mehr als Haupterschließungszufahrt zum Gelände genutzt werden. Die Erschließung soll jetzt über den Vierradweg erfolgen, wie es in einem Bauausschuss-Protokoll vom November 2018 heißt. Hierzu wurde für die Toranlage an der Westseite und für eine Fahrwegverbreiterung an der Ostseite des Grundstücks eine Tektur genehmigt, die Baumaßnahmen sind bereits erledigt. Sorgen bestehen in der Anliegerschaft, dass der auf zehn Tonnen ausgelegte Vierradweg im Zuge der Hauptbauarbeiten beschädigt werden könnte. Allerdings existiert hier wohl vonseiten des Bauherrn eine Zusage für die Übernahme der Sanierungskosten.

Die Gemeindeverwaltung beurteilt das Projekt laut Protokoll »planungsrechtlich als sonstiges Vorhaben im Einzelfall im Außenbereich«. Die Nutzungsart der Anlage durch die Neueigentümer entspreche der Nutzung in den vergangenen 70 Jahren, das Orts- und Landschaftsbild werde nicht beeinträchtigt. Die Frage, warum an dieser Stelle keine Bauleitplanung, also beispielsweise die Aufstellung eines Bebauungsplans, eingeleitet wird, beantwortete die Verwaltung so: »Ein Bauleitverfahren kann hierfür wohl nicht eingeleitet werden, da es sich hierbei nur um ein Einzelanwesen, wenn auch sehr großzügig, handelt und schließlich fehlt es entscheidend am Anbindegebot gemäß Landesentwicklungsprogramm Bayern.«

Keine Antworten

Trotz des zügig vonstatten gegangenen Genehmigungsverfahrens tat sich rund um das Bogensberglehen bislang nur wenig. Wenngleich das Gelände nach wie vor für die Öffentlichkeit gesperrt ist, so sprechen Beobachter nur von kleineren Baumaßnahmen. Auskunft darüber, warum das Projekt bis heute nicht realisiert wurde, kann wohl nur der Eigentümer geben. Und der ist nicht greifbar. Wer versucht, die Bogperle GmbH in Hamburg zu erreichen, landet bei einer großen Anwaltskanzlei in derselben Stadt. Und die erteilte auf »Anzeiger«-Anfrage keine Auskünfte. Auch das damals für die Planung zuständige Architekturbüro wollte sich nicht äußern, verweist auf »Geheimhaltungsvereinbarungen zu vollständiger Verschwiegenheit«.

Deshalb war auch bislang nicht bekannt, dass das Anwesen nach wie vor im Eigentum von Axel Oberwelland ist. Denn über das Handelsregister ließ sich lediglich recherchieren, dass die Bogperle GmbH zu 100 Prozent der Beteiligungsgesellschaft Cremon in Hamburg und diese wiederum zu 100 Prozent der Gesellschaft für Einfuhrhandel E. H. Worlée & Co. (GmbH & Co.) KG, Hamburg gehört. Die Verbindung zwischen der Bogperle GmbH und Axel Oberwelland läuft dagegen über Dr. Cornelia Weber. Die ist Geschäftsführerin der Bogperle GmbH und zugleich Prokuristin bei der Fa. Storck Schokoladen KG. Axel Oberwellands Frau Birgit ist im übrigen eine Tochter aus der Bad Reichenhaller »Mozartkugel«-Familie Reber.

Die im Talkessel immer wieder auftauchenden Gerüchte, dass der mittlerweile verstorbene Ex-VW-Chef Ferdinand Piëch das Anwesen gekauft und weitervererbt habe, bestätigten sich bei den »Anzeiger«-Recherchen nicht.

Ulli Kastner