Der Freidinggraben kommt von der Loiplsau ins Tal und mündet dort in die Ramsauer Ache. Und das hat durchaus aktuellen Bezug, denn er geht vorbei am neu geplanten Baugebiet Kas-pernfeld (wir berichteten). Die Traunsteiner Behörde widmete dem Wildbach auf Bitten der Gemeinde eine umfassende Untersuchung. Rainer Stemmer erläuterte die Hintergründe: Nach dem Starkregenereignis im Juli 2021 durften drei neue Mitarbeiter eingestellt werden; und jede Talkesselgemeinde durfte sich ein Gewässer zur Überprüfung aussuchen. Damit wurden die zusätzlichen Kollegen beauftragt. Damit beantwortete er einen Beitrag von Zweitem Bürgermeister Rudi Fendt (FWG), der sich »erstaunt« zeigte, dass so schnell Ergebnisse vorgelegt werden konnten. Wie die drei Behördenvertreter betonten, handelt es sich zwar erst um einen Zwischenstand – an dem wird sich absehbar aber nicht mehr all zu viel ändern.
Bürgermeister Herbert Gschoßmann hatte in seiner Einführung an die Geschehnisse im Sommer 2021 erinnert: »Die Ramsau hat Glück gehabt; aber es hat uns vor Augen geführt, was passieren kann.« Das Gemeindeoberhaupt sprach von einer Sensibilisierung, deswegen hat man sich im Rathaus Gedanken gemacht, wo die gefährlichen Stellen sind. Und so fiel die Wahl auf den Freidinggraben, mit dem es schon in der Vergangenheit »immer wieder Probleme« gab.
Den Faden nahm Rainer Stemmer auf und betonte: »Wasserwirtschaft betrifft uns alle existenziell.« Er spannte den Bogen zum Klimawandel, der auch im Berchtesgadener Land Starkregen und Dürren mit sich bringt: »Wir müssen uns wappnen, auch gegen Wassergefahr.«
Einschneidende Erfahrungen mussten die Fachleute nämlich 2016 beim Hochwasser in Simbach am Inn machen; damals forderte die Katastrophe sieben Tote. »Das hatte eine neue Qualität.« Denn die Probleme entstanden nicht nur durch ein Gewässer, etwa einen Fluss: »Auch wild abfließendes Wasser kann ein Problem sein, das kann auch aus der Fläche kommen. Aber festhalten muss man trotzdem, dass es keinen absoluten Schutz gibt.« Maßstab für alle Maßnahmen ist ein sogenanntes 100-jährliches Ereignis (HQ 100), trotzdem ist natürlich viel Schlimmeres ebenso möglich. Stemmer erinnerte an die Bilder aus dem völlig verwüsteten Ahrtal: »Wenn was selteneres, größeres kommt, haben wir ein Problem.«
Anschaulich erläuterte der Fachmann schließlich was genau und wie am Freidinggraben untersucht wurde. Grundsätzlich gilt auch hier der HQ 100-Maßstab: »Grob gesagt, wir wollen wissen, ob der Bach rausspringt oder nicht.« Dazu wird zunächst bewertet, wie sich Wasser auf einem bestimmten Gelände bewegt. Franz Grüsser erläuterte dazu die fachlichen Grundlagen wie die Vermessung des Bachlaufs, die Eigenschaften des Einzugsgebiets, ein mit Laserscanner erstelltes Geländemodell und die Landnutzung. Aus allem zusammen entsteht schließlich eine sogenannte hydraulische Modellierung.
Zahlen hatte Grüsser ebenfalls im Gepäck: Das Einzugsgebiet des Freidinggrabens reicht bis zum Hirschkaser und umfasst knapp einen Quadratkilometer. Gerechnet wird mit Abflussspitzen von knapp 3 bis circa 8 Kubikmeter Wasser, letztere bei einem Extremereignis (HQ extrem), das statistisch alle 500 bis 1 000 Jahre auftritt.
Untersucht wurde zudem, mit welchen Geschiebemengen kalkuliert werden muss. Die Sperre mit Rückhaltebecken fasst bis zu 1 400 Kubikmeter. Das Geschiebe muss auch bei der prognostizierten Hochwasserhöhe eingerechnet werden und wird je nach Ereignis (von »normal« bis »extrem«) mit unterschiedlichen Prozentsätzen angesetzt.
Die unterschiedlichen Szenarien haben ergeben, dass bei einem HQ 100-Ereignis an der Alpenstraße ein Problem durch Verklausung entstehen kann, das Gerinne aber im unteren Verlauf leistungsfähig bleibt. Gleiches gilt auch – bei höheren Werten – für ein H-extrem-Ereignis. Unter dem Strich gehen die Experten also in beiden Fällen von einem »schadlosen Ablauf« aus. Aber identifizierten auch ein Problem, nämlich eine zu knapp bemessene Verrohrung am Freidinglehen. Seitens der Behörde sind hier aus verschiedenen Gründen – auch Arbeitsüberlastung – keine Maßnahmen möglich; allerdings wird empfohlen, das Anwesen gezielt zu schützen, beziehungsweise entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Trotzdem mischte Stemmer in sein grundsätzlich positives Fazit auch warnende Töne: »Ein Restrisiko bleibt immer bestehen.« Auf Nachfrage aus dem Gremium empfahl er zudem, das Rückhaltebecken regelmäßig zu bewirtschaften, dass es im Ernstfall seinen Zweck auch erfüllen kann. Bürgermeister Gschoßmann bestätigte, dass die Anlage laufend überwacht wird.
Grüsser merkte noch an, dass in diesem Zusammenhang der regelmäßigen Uferpflege mit freischneiden ebenfalls eine große Bedeutung zukommt, im Hinblick auf Verklausungen: »Dann kommt bei Hochwasser nicht so viel Material mit und um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert.« An der Stelle hakte Franz Schwab (CSU) ein und bezog sich auf die jüngste Berichterstattung im »Berchtesgadener Anzeiger« zu entsprechenden Maßnahmen an der Bischofswieser Ache: »Habt ihr das dem Bund Naturschutz auch erklärt?« In die allgemeine Heiterkeit hinein antwortete der Projektleiter diplomatisch, dass der BN »zu dieser Frage« bei der Behörde nicht vorstellig geworden ist. Er betonte aber auch: »Wir sind zum Gewässerunterhalt verpflichtet.«

Sepp Maltan (FWG) wollte schließlich noch wissen, ob die Untersuchung Auswirkungen auf die mögliche Bebauung am Kaspernfeld hat. Grüsser erläuterte dazu, dass im Verfahren zur Bauleitplanung natürlich Empfehlungen gegeben werden. Aber hier muss unterschieden werden: »Hochwasserschutz ist immer Bestandsschutz und dient nicht der Bebaubarkeit von Grundstücken.«
Nachdem es keine weiteren Fragen mehr gab, bedankte sich der Bürgermeister bei den Vertretern des Wasserwirtschaftsamts für ihre anschaulichen Erläuterungen zu dieser »hochkomplexen Materie«.
Thomas Jander