Die Wolken zeichneten ein Spiel von Licht und Schatten auf die mit weiß-blauen Servietten und Latschen bestückten Bierzelttische. Klänge von Tuba, Ziach und Gitarre vertrieben die Stille der Abgeschiedenheit und während die Weißwürste im heißen Wasser zogen, gönnte sich die Hauptprotagonistin eine Verschnaufpause: Ihre Kabinen standen geparkt am Rand des Geschehens beziehungsweise in Startposition, die Seile schwebten frei von jeglicher Last dem Massiv zu, bis sie sich weit oben beim winzigen Häuschen in einer Kerbe des Gebirgskamms wiedertrafen.
Auch der ein oder andere Partygast folgte den Strängen mit dem Blick bis an den höchsten Punkt, als WTD-Dienststellenleiter Rainer Gündisch in seiner Begrüßung aufforderte: »Schauen Sie nach oben. Die Reiteralpe blickt majestätisch und gnädig auf uns herab und wir sind an einem der schönsten Orte Deutschlands.« Fast schon liebevoll sprach Gündisch von »unserer alten Dame« und dankte allen, die sich für ihr Wohlergehen einsetzen, darunter allen voran der Mannschaft, die »Herz und Seele der Bahn« sei.
Dann skizzierte er die Vita der Jubilarin: Anfänglich mussten die Gebirgsjäger Verpflegung und Ausrüstung zu Fuß zum Truppenübungsplatz bugsieren. Weil die Auf- und Abstiege über den Schrecksattel vor allem im Winter besonders schwierig und gefährlich waren, fiel 1958 die Entscheidung, die Seilbahn zu bauen. Als 1961 die Arbeiten starteten, hätten sich die Ingenieure auf technisches Neuland gewagt. »Erstmals in Europa musste ein Spannfeld von 1 988 Metern bei einer Höhendifferenz von 982 Metern realisiert werden.« Doch es gelang und ab 1965 war die Konstruktion Bindeglied zwischen Tal und Berg.
Seitdem habe sie 1,8 Millionen Fahrgäste und 85 000 Tonnen Gewicht getragen, 19 Runden um die Erde gedreht und 360 000 Fahrten geschaukelt. Als nächster Meilenstein stehe nun der Wechsel des Tragseils in 2027 an, so Gündisch, der seine Rede zeitig genug beendete, sodass noch vor dem 12-Uhr-Läuten ein bayerisches Frühstück vor den etwa 60 Geladenen stand. Die Wartezeit, bis es weiter im Programm ging, überbrückte Betriebsleiter Christoph Strobl. Das Bindl gelöst, schritt er ohne sich lange bitten zu lassen zur Tat und gab dem »Berchtesgadener Anzeiger« eine Führung durch Maschinenraum und Werkstatt. Unterwegs stellte er seinen gereiften Schützling und dessen Eigenheiten etwas näher vor: In unter einer Minute lassen sich zum Beispiel die verschiedenen Kabinen – darunter die alten Balkon-, die Personen-, Material- oder Multifunktionskabinen – umhängen. Bis zu 15 Menschen oder zwei Tonnen können sie nach oben befördern, meistens handle es sich dabei um die Truppe und ihr Material. Doch auch etwa Förster und Almbauern seien berechtigt, einzusteigen und aufzuladen. Wenn das Wetter mitspielt, lege die Seilbahn 27 bis 30 Mal am Tag die gut 1 000 Höhenmeter zurück. »Es gibt einen groben Fahrplan, aber meistens geht das über Anträge.«
Ein Team von sechs Mitarbeitern kümmere sich derzeit um die Anlage, darunter eigene Schlosser und Mechaniker. Die Technik wie Getriebe, Kupplungen und der 20 Meter tiefe Spannschacht sei größtenteils noch die aus den 1960er-Jahren – und habe durchaus ihre Tücken: »Eine Pendelbahn ist für extremes Gelände gemacht. Bei einem Spannfeld von zwei Kilometern und keinen Stützen kann es zu Seil-Überwürfen kommen.« Dann geht nichts mehr, wie zuletzt im vergangenen Oktober, als die Bergwacht 14 Männer aus einer festsitzenden Gondel rettete (wir berichteten).
In der zweiten Runde der Ansprachen beschwor der Standortälteste der Gebirgsjägerbrigade 23, Oliver Gellermann, das Miteinander von Militär und Zivil und nahm dabei Bezug auf das Grundgesetz. Er hob die Kooperation von WTD und Brigade hervor und sagte: »Gemeinsam können wir buchstäblich Berge versetzen und wenn das nicht gelingt, sie zumindest erklimmen.« Christoph Bos, Leiter der Seilbahnaufsicht bei der Regierung von Oberbayern, blickte auf die Ursprünge seiner Behörde zurück, die in Oberjettenberg liegen. Denn als die sich gründete, seien die Mitarbeiter hier vor Ort an dem »Unikat mit besonderen Teilen« ausgebildet worden.
Jenes erhielt zum Abschluss des offiziellen Teils auch noch den kirchlichen Segen. Der katholische Militärpfarrer Jörg Plümper hielt einen kurzen, zackigen Gottesdienst, mit dem Wunsch, dass das »technische Wunderwerk mit der ein oder anderen Macke« weiter unfallfrei bleibe und Gott seine Hand über all jene halte, die damit ihren Dienst tun. Mit einem Kreuzzeichen, Weihwasserregen und der Plakette des Christophorus, des Schutzheiligen der Reisenden, besiegelte er seine Worte. fb