Seine Bilanz nach dem langen Rundgang im Gelände und nach internen Gesprächen mit den Soldaten war eindeutig: »Die Motivation der Soldatinnen und Soldaten ist hoch und ich habe heute gesehen, dass man sich auf die Bundeswehr verlassen kann.«
Für die zahlreichen Journalistinnen und Journalisten, die bereits morgens mit der Seilbahn auf die Reiteralpe gebracht worden waren, begann der Tag erst einmal mit Warten. Der Bundeskanzler hätte das Hochplateau nach der Ankunft des Regierungsfliegers in Salzburg eigentlich mit dem Bundeswehr-Hubschrauber erreichen sollen. Doch der Nebel war dafür zu dicht – und so kam schließlich auch Olaf Scholz in den Genuss einer Seilbahnfahrt, die aber zunächst keine Aussichtsgelegenheit bot.
Kanzler ohne Schirm
Nach der Begrüßung durch Oberst Björn-Ulrich Kohlbach, aktueller Führer der Gebirgsjägerbrigade 23 (siehe eigener Artikel), ließ sich Olaf Scholz auf der Reiteralpe von Station zu Station quer über das latschenbewachsene Gelände führen. Dabei zeigte sich der Kanzler durchaus widerstandsfähig. Trotz des anhaltenden Regens nur im Trenchcoat, ohne Schirm und auch ohne Kopfbedeckung, informierte er sich in dem nassen, unwegigen Terrain über materielle und körperliche Herausforderungen des Gebirgskampfes. Die Soldatinnen und Soldaten der 3. Kompanie des Gebirgsjägerbataillons 232 in Bischofswiesen mit Bataillonskommandeur Sebastian Becker hatten sich freilich gut vorbereitet.
Da erfuhr Olaf Scholz beispielsweise, dass die Gebirgsjägerbrigade 23 als Teil der leichten Kräfte des Heeres als einziger Großverband der Bundeswehr auf den Kampf im schwierigen bis extremen Gelände und unter extremen klimatischen Bedingungen spezialisiert ist. Auf der Reiteralpe hatte man diese Herausforderungen nun in einem realistischen Maßstab ins Gelände projiziert.
Dem Bundeskanzler zeigte man auch die Aufklärungsdrohne Aladin. Sie kann den Soldatinnen und Soldaten im militärischen Einsatz gegenüber dem Feind einen Informationsvorsprung verschaffen. Auch die Tragtiere des Einsatz- und Ausbildungszentrums für Tragtierwesen in Bad Reichenhall hatten ihren Auftritt. Sie sind ein Alleinstellungsmerkmal der Gebirgsjägerbrigade 23. Gebraucht werden die Tiere für die Versorgung mit Munition, Lebensmitteln und Wasser, wenn die militärischen Stellungen im Ernstfall nicht über eine Straße oder aus der Luft zu erreichen sind.
Der Kanzler begegnete auf seinem Rundgang auch einer Gruppe, die sich in einer Stellung exemplarisch für die Verteidigung einrichtete. Acht Stunden braucht es, bis so ein »Bunker« aus Sandsäcken, getarnt mit Daxer und Latschen, errichtet ist. Olaf Scholz sah sich den Bau auch von innen an.
Scharfschützenund Klettervorführung
Für die vorgeschobene Sicherung steht den Soldaten ein Maschinengewehr auf Lafette und eine Granatmaschinenwaffe zur Verfügung. Hier geht es darum, den anrückenden Feind einer ersten Stresssituation auszusetzen und sich dann zurückzuziehen. Hier hatte man auf der Straße auch Panzerabwehrminen verteilt, die im Ernstfall aber im Gelände vergraben werden.
Weiters erlebte Bundeskanzler Scholz Scharfschützen im Einsatz und per Fernrohr konnte er Soldatinnen und Soldaten des Bischofswieser Hochzugs beim Klettern beobachten. Die anschließenden Gespräche mit Soldaten beim »Lenzenkaser 3« dauerten lange, Journalisten konnten nicht dabei sein. Gemeinsam ließ man sich anschließend noch von der Feldküche versorgen, ehe Olaf Scholz den wartenden Medienvertreten vor dem »Lenzenkaser 2« noch ein Abschlussstatement seines Besuches gab.
Scholz lobte die Motivation und das Engagement der Gebirgsjäger und zeigte sich beeindruckt von den Vorführungen. Erneut artikulierte Scholz den Begriff »Zeitenwende«, der auch bedeute, dass die Bundeswehr gut ausgerüstet sein müsse. Schließlich könne man sich nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine auf Vereinbarungen nicht mehr so einfach verlassen. Die Nato und die Bundeswehr müssten nun so aufgestellt sein, dass man alle Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung erfüllen kann. »Mir hat das heute hier gezeigt, dass man sich auf die Bundeswehr verlasen kann, sie ist gut vorbereitet«, sagte der Kanzler.
Auch das Gespräch mit einigen Soldatinnen und Soldaten, die den Freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr ableisten, sei für ihn sehr bewegend gewesen, betonte Scholz. Alle, die er hier getroffen habe, seien mit vollem Herzen dabei.
Verteidigungsetat steigt
Man habe alles dafür getan, dass die Bundeswehr gut aufgestellt ist, betonte Scholz weiter. Zwei Prozent der Wirtschaftsleistung gebe man nun im Rahmen der Nato-Kriterien für Verteidigung aus. Das habe sich auch massiv im Haushalt der Bundeswehr niedergeschlagen. Seien es im Jahr 2017 noch 37 Milliarden Euro gewesen, so wären es nun einschließlich des Sondervermögens Bundeswehr 75 Milliarden Euro. Das werde man noch weiter steigern, in dem alleine der Bundeswehrhaushalt im Jahr 2028 ganze 80 Milliarden Euro betrage. Damit könne man nun wesentlich besser planen als bislang.
Olaf Scholz äußerte sich auch noch kurz zur Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Joe Biden, bei der Präsidentenwahl im Oktober nun doch nicht anzutreten. Scholz bezeichnete Joe Biden als »guten Freund Deutschlands und Europas«. Keinen Zweifel ließ der Kanzler daran, dass diese transatlantische Zusammenarbeit »für uns auch künftig eine große Rollen spielen wird«.
Auch für den »Abstieg« nutzten Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Gefolge wieder die Seilbahn, denn es stand noch ein kurzer Aufenthalt in der Wehrtechnischen Dienststelle 52 an, wo sich der Regierungschef die Einrichtung durch Dienststellenleiter Peter Pörsch zeigen ließ. Dann musste es schnell gehen, denn bei der Aids-Konferenz in München wartete man bereits auf den Kanzler.
Ulli Kastner