Weisser Ring imLandkreis vertreten
Auch im Landkreis Berchtesgadener Land ist der Weisse Ring vertreten. Seit 2017 ist Inge Bernecker-Krause die Leiterin der Außenstelle im Berchtesgadener Land. Der »Berchtesgadener Anzeiger« hat sich mit ihr über die Arbeit unterhalten. Auf der Homepage werden die Tätigkeitsbereiche Häusliche Gewalt, Stalking, Vergewaltigung und Betrug genannt.
Auch sie beklagt, dass sich um die Opfer von Straftaten zu wenig gekümmert wird. Lediglich im Bereich »Häusliche Gewalt« gibt es in Deutschland staatlich eingerichtete Interventionsstellen. Dorthin werden von den Polizeidienststellen betroffene Opfer direkt vermittelt. 2021 verzeichnete man in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land 71 Fälle von häuslicher Gewalt, berichtet die Leiterin Sabine Weiß und räumt ein, »dass die Dunkelziffer hoch sein dürfte«. Inge Bernecker-Krause bemängelt, dass viele Menschen als Opfer von Gewalttaten in Bayern durch das Raster fallen. Für sie gibt es keine feste Anlaufstelle, Betroffene wüssten darum nicht, wohin sie sich wenden können und sind nicht selten verunsichert oder gar traumatisiert. Hier engagiert sich der Verein Weisse Ring, der nicht durch öffentliche Gelder finanziert wird, sondern allein aus Spenden, Erbschaften und Mitgliedsbeiträgen. Die hier tätigen Menschen arbeiten alle ehrenamtlich, auch Inge Bernecker-Krause. Etwa 40 Menschen als Opfer von Gewalt und anderen Straftaten begleiten sie und ihr kleines Team im Jahr. In den letzten Jahren stellte das Thema »Sexueller Missbrauch in der Kindheit« einen Schwerpunkt in der Arbeit des Vereins dar. Kinder verdrängen den Missbrauch häufig komplett und bauen eine zweite Persönlichkeit als Eigenschutz auf. »Erst viele Jahre später, wenn sie stark genug sind«, mutmaßt Bernecker-Krause, »kommen diese Erinnerungen wieder und dann ist Hilfe und Aufarbeitung nötig«. Hilfe, die sich nicht nur auf die Vermittlung eines Therapeuten beschränkt. Opfer von Gewalt leiden häufig psychisch, sind nur mehr vermindert leistungsfähig oder müssen mit Ängsten leben, die sie selbst zunächst nicht einmal begreifen können.
Mit im Team des Weissen Ring im Berchtesgadener Land ist auch Werner Wundt, der sich bereits von 2013 bis 2015 in seiner Heimatstadt Böblingen beim Verein engagierte. Er verweist auf die komplexe Situation vor der Betroffene häufig stehen. »Viele wissen gar nicht, was sie jetzt eigentlich tun können. Wohin können sie sich wenden, zum Sozialamt, zum Jugendamt oder an das Landratsamt? Brauchen sie eine Therapie, einen Anwalt, liegt eine Straftat vor? Bin ich Opfer oder bilde ich mir das alles nur ein, fragen sich die Betroffenen. Wir versuchen dies in Gesprächen zu klären und leiten die nötigen Schritte ein, verstehen uns als Lotse zwischen den Möglichkeiten.«
Verein begleitet zu Terminen bei Gericht
Grundsätzlich sind mögliche Leistungen im Opferentschädigungsgesetz geregelt. Wie aber steht es etwa mit einer Zusatzrente wegen Erwerbsminderung? Es braucht Experten und Gutachten, um den Sachverhalt zu klären. Der Verein begleitet zu Terminen bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, an erster Stelle aber steht der menschliche Beistand und die persönliche Betreuung nach einer Straftat. »Er übernimmt bei Bedarf die Kosten für eine anwaltliche Erstberatung, und unterstützt das Opfer gegebenenfalls auf dem weiteren Rechtsweg, immer mit dem Ziel, Opferrechte optimal durchzusetzen«, informiert Christine Haunerdinger, die stellvertretende Außen- stellenleiterin, die sich seit 2014 für den Weissen Ring, zuerst in Traunstein und dann im Berchtesgadener Land, engagiert.
Inge Bernecker-Krause spricht aber auch von kleinen Hilfen, von »finanzieller Unterstützung zur Überbrückung tatbedingter Notlagen«, wie es in den Vereinsstatuten heißt. Wenn etwa nach einem Diebstahl der Brieftasche inklusive Bargeld und Kreditkarte das Geld für die Heimfahrt fehlt. Jedoch unterstützt der Verein Opfer einer schweren Straftat auch mit größeren Hilfen wie etwa einem Erholungsurlaub nach einem Gewaltverbrechen. Insgesamt hilft der Weisse Ring jährlich mit rund 15 Millionen Euro Opfern von Gewalttaten in Deutschland. Darin enthalten sind auch Mittel zur Kriminalitätsvorbeugung und Aktionen, um sich öffentlich für Opferbelange einzusetzen.
Neben der aktiven Opferhilfe fordert der Verein von Politik, Justiz und Verwaltung die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation von Kriminalitätsopfern und ihrer Angehörigen. Es muss ein stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein für die Situation der Opfer entstehen und für die Kriminalitätsvorbeugung mehr öffentliche Mittel bereit stehen. Auch im Berchtesgadener Land braucht der Weisse Ring mehr Unterstützung für die Arbeit, vor allem Menschen, die sich im Ehrenamt dieser Aufgabe stellen wollen. Dafür gibt es eine intensive Einarbeitung, zwei Schulungsblöcke für die Grundlagen und laufend fachspezifische Seminare.
Notfalltelefon läutetauch bei »Enkeltrick«
Öfters läutet das Notfalltelefon auch bei Betrugsdelikten. Etwa wenn mit dem »Enkeltrick« vorgegeben wird. Man sei in eine Notlage geraten und brauche dringend finanzielle Hilfe. Vorgeschoben werden Argumente von Corona, Urlaubsreisen bis hin zu schweren Unfällen und sofort zu leistende Strafzahlungen. Immer wieder fallen darauf vor allem ältere Menschen herein und auf einmal ist das Geld weg.
Die Außenstelle im Berchtesgadener Land hat bisher nur wenig Nachfrage von Mitmenschen aus anderen Kulturkreisen erhalten. Sprachbarrieren könnten dafür eine Ursache sein. Dabei ist der Weisser Ring grundsätzlich für alle Menschen mit Wohnsitz in Deutschland, und auch für Deutsche im Ausland zuständig.
Wer Kontakt zum Weissen Ring sucht, kann dies auf zwei Wegen tun: telefonisch unter 0151/55164737 oder per E-Mail an bernecker-krause.inge(at)mail.weisser-ring.de.
Gerd Spranger