Hintergrund der Umstrukturierungen ist unter anderem die Aufrüstung der Artillerie, wie Keller am Rande des Übergabeappells gegenüber der Heimatzeitung sagte, in Reaktion auf den Krieg in der Ukraine. Diesen ordnete der Brigadegeneral vor zahlreichen Ehrengästen, darunter Vertreter vom norwegischen Brigadepartner und der deutsch-französischen Brigade sowie Vizeadmiral Carsten Stawitzki aus dem Verteidigungsministerium, unmissverständlich ein: Keller sprach wörtlich von »Verbrechern wie Putin und seinen Schergen«.
Für seine Gebirgsjäger war Keller voll des Lobes in einer Rede, in der sehr oft das Wort Verantwortung zu hören war. »Es braucht Menschen, die dafür sorgen, dass unser Vaterland und unser Bündnis glaubhaft und mit militärischer Stärke verteidigt wird. Und diese Menschen, diese Soldatinnen und Soldaten stehen heute vor uns«, sagte er im Beisein mehrerer ehemaliger Kommandeure der Gebirgsjägerbrigade 23.
Darunter waren Generalleutnant a. D. Erich Pfeffer, der bis 2021 Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam war, und Generalleutnant Alexander Sollfrank, heute Kommandeur des Multinationalen Kommandos Operative Führung sowie des Joint Support and Enabling Command der Nato in Ulm.
Keller unterstrich, dass der Kampf bis zum »letzten persönlichen Opfer« Kern des Soldatenberufs sei, um dann spürbar und hörbar gerne die Auszeichnung jener vier Gebirgsjäger vorzunehmen, die beim Zugunglück in Mittenwald geholfen hatten. Teils selbst verletzt, hätten sie im Umfeld von Tod und Leid, zwischen sehr schwer Verwundeten Ruhe bewahrt, Besonnenheit gezeigt und mit ihren Fähigkeiten unterstützt, einer sogar bis zum eigenen Kollaps – kurzum: »soldatische Fähigkeiten« im besten Sinne an den Tag gelegt, so Keller, bevor er den vieren jeweils das Ehrenkreuz in Silber ans Revers heftete. Die dazugehörige Urkunde war unterzeichnet von der Verteidigungsministerin.
Generalmajor Ruprecht von Butler stellte in seiner Rede ebenso die »einzigartigen Fähigkeiten« der Gebirgsjäger heraus: »Wenn es unangenehm wird, wenn es raus geht aus der Komfortzone, dann fangen Sie erst an«, richtete er an die Abordnungen aus allen Teilen und Standorten, die da sind: die Gebirgsjägerbataillone Bad Reichenhall (231), Bischofswiesen (232) und Mittenwald (233), das Gebirgsversorgungsbataillon 8 sowie das Gebirgsaufklärungsbataillon 230, beide in Füssing sowie das Gebirgsbataillon 8 in Ingolstadt. Nicht fehlen durfte das Einsatz- und Ausbildungszentrum für Tragtierwesen 230 in Reichenhall, das bei dieser Kommandoübergabe besonders präsent war: Erstmals verließ ein Brigadegeneral auf dem Rücken eines Vierbeiners die Reichenhaller Kommandobrücke.
Neuer Kommandeur war in der Strub und im Stab
Der neue Chef in der Hochstaufen-Kaserne ist kein Unbekannter im Berchtesgadener Land: Oberst i. G. Michael Bender durchlief seine Ausbildung zum Gebirgsjägeroffizier von 1994 bis 2006 – mit Unterbrechung durch das Maschinenbaustudium – zwar noch in Mittenwald. Doch schon mit den Struber Jagern absolvierte er dann zwei Auslandseinsätze in Afghanistan und im Kosovo. 2011 war er bei der Division Spezielle Operationen in Stadtallendorf inklusive eines weiteren Afghanistan-Einsatzes. Im Bundesverteidigungsministerium in Berlin war Bender von 2013 bis 2015 im Referat »Deutsche Interessenvertretung in der Nato« eingesetzt, ehe er 2016 als Vorbereitung für seine Kommandeursaufgabe in Bischofswiesen zur Gebirgsjägerbrigade 23 nach Bad Reichenhall wechselte. Zuletzt war er im Verteidigungsministerium Büroleiter des Staatssekretärs Benedikt Zimmer, der gestern ebenfalls den Übergabeappell mit Einmarsch der Ehrengarde, Musik des Heersmusikkorps Ulm und einem insgesamt streng militärischen Zeremoniell verfolgte.
Angekündigt hatte sich auch Florian Hahn, CSU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Verteidigungsausschuss. Er steckte dann allerdings im Stau fest. Dafür hielten Siegfried Walch (CSU), Landrat von Traunstein, und Michael Koller (FWG), stellvertretender Landrat im Berchtesgadener Land, die Fahne der Politik hoch. Landrat Bernhard Kern war zeitgleich bei der Eröffnung des SFZ, wo er als Bauherr sprach. Ehrensache war die Anwesenheit von Reichenhalls Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung und von Fahnenabordnungen der Reservisten und Kameradschaft.
Sabine Zehringer