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Die ehrenamtliche Betreuerin Gabriele Willen (r.) und die Leiterin der Betreuungsstelle BGL, Karina Grabner. (Foto: LRA BGL)

Was macht eigentlich ein ehrenamtlicher Betreuer?

Berchtesgadener Land – Wenn ein volljähriger Mensch wegen einer Erkrankung oder Behinderung nicht (mehr) in der Lage ist, eigene Angelegenheiten selbst zu regeln, kann die Unterstützung von einem rechtlichen Betreuer erforderlich werden. Die ehrenamtliche Betreuerin Gabriele Willen gibt im Interview mit der Leiterin der Betreuungsstelle BGL, Karina Grabner, einen Überblick über ihre Tätigkeit, ihre Aufgaben und ihre Erfahrungen.


Wer seine eigenen Angelegenheiten nicht mehr regeln kann, ist auf die verantwortungsvolle Hilfe anderer Menschen angewiesen. Ist eine Person aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage, ihre rechtlichen Angelegenheiten selbstständig zu erledigen, bestellt das Betreuungsgericht einen rechtlichen Betreuer – vorausgesetzt es liegt keine Vorsorgevollmacht vor, in der die betroffene Person eine Vertrauensperson als ihren rechtlichen Vertreter für die unterstützungswürdigen Aufgaben bestimmt hat.

Welche Aufgaben ein ehrenamtlicher Dienst als rechtlicher Betreuer mit sich bringt, warum sie dieses Ehrenamt ausübt und welche Erfahrungswerte sie dabei gesammelt hat, erzählt Gabriele Willen, die seit vier Jahren als ehrenamtliche rechtliche Betreuerin im Berchtesgadener Land im Einsatz ist.Frau Willen, Sie sind seit vier Jahren ehrenamtlich als rechtliche Betreuerin im Einsatz. Wie sind Sie dazu gekommen?

Gabriele Willen: Ich war früher Lehrerin und habe drei Kinder, die aber inzwischen alle erwachsen sind und auf eigenen Beinen stehen. Und dann war ich offen für eine neue Aufgabe. Plus, durch die vielen Kontakte mit Menschen, die ich im Zuge dieser Aufgabe habe, bin ich alles andere als »einsam und allein«.

Hatten Sie Vorkenntnisse, die Sie für die neue Aufgabe mitgebracht hatten?

Willen: Nicht direkt. Ich bin aufgeschlossen, kann auf Menschen zugehen und interessiere mich für sie und ich bin pragmatisch: Wenn ein Problem an mich herangetragen wird, finde ich eigentlich immer eine Lösung. Wenn man dann noch verlässlich ist und bereit ist, Personen längerfristig unter die Arme zu greifen in ihren rechtlichen Belangen, dann sind das schon sehr gute Voraussetzungen für den Job.

Was sind Ihre Aufgaben als rechtliche Betreuerin?

Willen: Als rechtliche Betreuerin unterstütze und vertrete ich die betroffene Person in verschiedenen Bereichen wie Gesundheit, Vermögen oder Aufenthaltsbestimmung. Das heißt: Braucht meine Klientin – aktuell betreue ich sieben Damen aus dem Landkreis – zum Beispiel wegen einer körperlichen Erkrankung einen Rollstuhl, gehe ich auf das Sanitätshaus zu und organisiere das zusammen mit dem Sanitätshaus. Muss mein Klient vorübergehend ins Krankenhaus, kümmere ich mich um Dienstleister, die sich in der Abwesenheit meines Klienten um den Garten oder die Haustiere kümmern. Manchmal muss ich auch die finanziellen Verhältnisse regeln, zum Beispiel, weil meine Klienten eventuell auch verschuldet sind. Dann spreche mich mit der Bank ab und wir stellen gemeinsam einen Finanzplan auf.

Letztlich bin ich als rechtliche Vertreterin der erkrankten Person dafür zuständig, sie in ihren rechtlichen Belangen zu unterstützen. Die Betonung liegt auf »unterstützen«: Ziel ist es dabei, der betroffenen Person ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, wobei ihre Wünsche im Vordergrund stehen.

Und klar gehe ich auch mal mit meinen Klienten spazieren oder ein Eis essen oder besorge ihnen schnell mal die Batterie, die sie für ihr Hörgerät brauchen. Das gehört nicht zu meinen Aufgaben, aber mir liegt ja auch der Mensch am Herzen, der sich hinter den rechtlichen Belangen »verbirgt«.

Sie sagen, die Wünsche der erkrankten Person stehen im Vordergrund. Das heißt, ihre Klienten sind durchaus noch in der Lage, diese zu äußern?

Willen: Ja! Meine Klienten aktuell sind alle kommunikationsfähig. Viele haben die Vorstellung, jemand hatte einen Unfall, liegt im Koma und kann daher nichts mehr von sich geben. Das ist bei meinen Klientinnen gar nicht der Fall. Meine Klientinnen sind aktuell Seniorinnen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen den ganzen »Papierkram« und das Organisatorische nicht mehr alleine schaffen und hier jemanden brauchen, der fix ist mit dem Computer und weiß, mit welchen Fragen man an wen herantreten muss, damit man die Antworten bekommt, die man braucht, um die Probleme zu lösen. Die Fälle, in denen die Betroffenen nicht ansprechbar sind, werden meist von den beruflichen rechtlichen Betreuern übernommen.

Wie viel Zeit investieren Sie in die ehrenamtliche Betreuung von diesen sieben Klientinnen?

Willen: Ach, das ist unterschiedlich. Am Anfang ist das natürlich immer ein bisschen mehr, bis man sich orientiert hat, weiß, mit welchen Anliegen gehe ich auf wen zu, und so weiter. Das pendelt sich aber dann über die Zeit ein und man bekommt eine gewisse Routine. Ich würde sagen, dass ich bei circa zehn Stunden pro Woche liege.

Können Sie sich denn auch mal rausnehmen? In den Urlaub fahren? Sich abmelden für eine gewisse Zeit?

Willen: Klar kann ich das. Dann sage ich dem Betreuungsverein BGL Bescheid, dass ich jetzt für eine Woche nicht da bin und die organisieren dann für die Zeit eine Vertretung.

Verlässlichkeit in dieser Art von Ehrenamt ist natürlich schon sehr wichtig. Wenn meine Klientinnen Hilfe brauchen, dann ist das oft unaufschiebbar. Aber das heißt nicht, dass man 24/7 365 Tage im Jahr zur Stelle stehen muss.

Was motiviert Sie zu dieser ehrenamtlichen Tätigkeit?

Willen: Dass es ein Geben und Nehmen ist: Ich merke, dass ich durch die Arbeit geistig und körperlich gefordert bin, und ich spüre die Dankbarkeit meiner Klienten für meine Unterstützung.

Das Ehrenamt ist durchaus verantwortungsvoll: Sie haben erwähnt, dass Sie auch die Finanzen von Ihren Klienten verwalten. Unterliegen Sie hier einer Rechenschaftspflicht?

Willen: Ja. Es gibt inzwischen ein sehr ausgeklügeltes Unterstützungssystem: Der Betreuungsverein unterstützt mich hierzu in allen Fragen und bietet darüber hinaus Fortbildungen an. Auch die Mitarbeiter der Betreuungsstelle am Landratsamt und des Betreuungsgerichts geben mir Hilfestellung. Zum Beispiel bekommen Betreuer bei Übernahme des ersten Betreuungsfalls eine themenbezogene Einführung sowie passende Vorlagen ausgehändigt. Als Betreuerin muss ich am Anfang einer Betreuung einen Bericht und eine Vermögensaufstellung machen und in der gesamten Betreuungszeit hierüber dem Gericht jährlich Rechenschaft ablegen sowie all diese Angelegenheiten regelmäßig mit den Klientinnen besprechen.

Was passiert, wenn Ihnen Fehler unterlaufen? Oder Sie selbst Fragen haben oder Unterstützung bei der Unterstützung brauchen?

Willen: Wir Ehrenamtlichen sind hier über die Bayerische Ehrenamtsversicherung abgesichert. Sprich: Beschädige ich beispielsweise beim Besuch einer Klientin versehentlich eine teure Vase oder stelle ich einen Antrag auf Sozialleistungen für die Klientin versehentlich zu spät und es entsteht ihr ein finanzieller Schaden, dann bin ich durch eine Haftpflichtversicherung abgesichert. Habe ich unterwegs auf dem Weg zur Klientin einen Unfall, bin ich selbst auch unfallversichert.

Und wenn ich mal nicht weiter weiß, dann kann ich mich jederzeit an die Betreuungsstelle oder den Betreuungsverein BGL wenden. Im Betreuungsverein arbeiten ja hauptberufliche rechtliche Betreuer, die sehr erfahren sind und einem dann gut weiterhelfen können.

Haben Sie auch die Möglichkeit, ein Mandat niederzulegen?

Willen: Absolut. Wenn sich herausstellt, dass es zwischenmenschlich zwischen meiner Klientin und mir nicht passt, dann haben beide die Möglichkeit, zu entscheiden, dass der Betreuer gewechselt wird. Das finde ich ganz wichtig, weil letztlich geht es hier auch um persönliche Angelegenheiten und wenn man hier nicht »auf einer Wellenlänge« ist und nicht gemeinsam an einem Strang zieht, dann nutzt das keinem was. fb