Im Berufsleben als Sporttherapeut an der Reichenhaller Kurklinik Alpenland tätig, kann er den intensiven und zeitraubenden Nebenjob gut händeln. Neben den Übungseinheiten nachmittags oder abends, in den Ferien durchaus mal ganztags, gilt es, Trainingspläne zu schreiben, Lehrgänge zu planen und die Reisen zu den Rennen zu organisieren. »Da kommen locker 20 Wochenstunden zusammen«, sagt er.
Zu den Wettkampforten wird meist schon mittwochs oder donnerstags aufgebrochen, dafür nimmt sich Hinterstoißer jeweils Urlaub. »Andere Landesverbände leisten sich bereits im Schülerbereich Vollzeittrainer, das ist bei uns in Bayern leider nicht so. Ich hätte viele Ideen, die ich gern umsetzen würde, als Teilzeittrainer ist dies aber nicht möglich.« Pro Fahrt nach Ruhpolding – meist viermal die Woche – hat Hinterstoißer aus seinem Heimatort Anger 33 Kilometer einfach zurückzulegen. »Das ist aber noch gar nichts«, sagt er bescheiden: »Wir haben Eltern, die fahren ihre Kinder jedesmal aus Bad Tölz und Miesbach nach Ruhpolding. Eine Familie aus Lenggries ist deswegen sogar hierhergezogen, um sich die weiten Fahrten zu sparen«. Auf ein derartiges Engagement von Mama und Papa sind nicht nur die Nachwuchssportler angewiesen, der SV Chiemgau muss auf diese Unterstützung bauen.
Teurer Sport
»Letztlich ist Biathlon ein teurer Sport«, sagt Hinterstoißer. »Wir brauchen die Eltern, anders wäre es nicht möglich. Wir sind hier schließlich nicht in Norwegen.« Dort ist der ganze Aufbau von Klein auf ein ganz anderer und mit den deutschen Voraussetzungen nicht zu vergleichen: »Dort schießen schon die Schüler mit dem Kleinkaliber, hier mit dem Luftgewehr«, nennt der Coach als Beispiel, der gleichwohl nicht jammern möchte: »Es gibt im Grunde nichts groß zu verbessern, wenngleich freilich nie alles perfekt ist.« Durch seine Jugend-Basis-Lizenz darf er das Schießtraining leiten. Dazu besitzt Hinterstoißer die Fußball- und Fitness-Lizenz und ist obendrein geprüfter Mentaltrainer. Diesbezüglich gibt es beim Deutschen Skiverband (DSV) das Nachwuchsprojekt »Mental Stark! – Fit in Sport, Schule und Leben«. Das unterstützt der Angerer als Ausbilder.
Zum Biathlon-Stützpunkt kam Hinterstoißer unverhofft: »Meine Tochter Leonie wollte schon vor Jahren Biathlon machen. Da ich sie dann immer nach Ruhpolding fuhr und ohnehin vor Ort war, wurde ich von Trainer Lukas Stuffer eines Tages gefragt, ob ich nicht im Team mithelfen wolle.« Der Coach wusste um die große Sport-Affinität des Angerers, der im Grunde schon alles gemacht hat: Fußball beim SC Anger, Laufsport und Duathlon vor allem, Biathlon, Triathlon stets beim Feldkirchner Bewerb, Skilanglauf, Radfahren, Berglauf – im Sommerbiathlon wurde er mehrfach Bayerischer und Deutscher Meister.
Hinterstoißer musste nicht lange überlegen und half – das war im Frühjahr 2024. Als Stuffer im vergangenen Winter schließlich ein Angebot des DSV erhielt, ins Weltcup-Wachsteam aufzusteigen, hing viel an seinem Helfer, der die Kinder im Alter zwischen 11 und 15 Jahren nun schon bestens kannte: »Die Schüler wären plötzlich ohne Betreuer dagestanden. Hätte ich die Aufgaben vom Lukas nicht übernommen, hätte er das Angebot des DSV nicht annehmen können. Deshalb erklärte ich mich bereit, die Gruppe als Trainer zu übernehmen«, erzählt Hinterstoißer.
Nun geht er mit seinem Team in seine erste Wintersaison als hauptverantwortlicher Schüler-Trainer am Biathlon-Stützpunkt in Ruhpolding. Unterstützt wird er dabei von der aufstrebenden, erst 19-jährigen Trainerin Paula Dreßler aus Vachendorf, die ihre Karriere bereits beendete. Im Herbst kommt, in erster Linie für den technischen Bereich, zudem Ex-Biathlet Dominic Schmuck (29) dazu. »Somit sind wird dann schon sehr gut aufgestellt«, lobt Albert Hinterstoißer.
Die Spreu trennt sichspäter vom Weizen
Mit enormer Leidenschaft und einfühlsamer Empathie – »ich leide sehr, wenn es mal bei jemandem nicht läuft« – für die Belange der SVC-Biathlon-Kinder macht Hinterstoißer die Arbeit große Freude. Freilich erfordert sie viel Kraft, Einsatz und Wissen: »Man lernt ja nie aus«. Mitunter muss er einem Kind und vor allen den ambitionierten Eltern auch mal klar vermitteln, dass Biathlon vielleicht nicht gerade der richtige Sport für den Sprössling ist. »Das fällt einem natürlich schwer, kommt aber in meiner Gruppe zum Glück ohnehin eher selten vor.« Letztlich trennt sich erst in der nächsten Niveaustufe langsam die Spreu vom Weizen, wenn die Pubertät oft ihr Übriges leistet.
Hinterstoißers Aufgabe ist es, die Schüler auf dieses nächste Level vorzubereiten, ihnen den Sprung in den Jugendbereich, ab dem es geht, einen nationalen Kaderstatus zu erreichen, zu erleichtern beziehungsweise zu ermöglichen. Die Jugend wird aktuell von der hauptamtlichen Trainerin Martina Seidl (geb. Zellner), Staffel-Olympiasiegerin 1998 in Nagano, und dem gleichgestellten Matthias Dorfer aus Marzoll trainiert – beide Vollzeit angestellt.
Albert Hinterstoißer vermittelt neben dem Grundsatz, den Kindern zu zeigen, wie Biathlon funktioniert, wie abwechslungsreich dieser Sport ist und dass Biathlon noch viel mehr ist als nur schnell laufen und treffen, vorrangig drei Kernpunkte: Disziplin und Selbstorganisation – vor allem im Hantieren mit der Waffe –, Fleiß und Geduld. Fernziel ist es natürlich, ein Kind in den eigenen Reihen gefördert zu haben, welches später Profi wird. »Dazu muss freilich viel zusammenkommen und -passen«, weiß der Coach. »Ein außergewöhnliches Talent, Fleiß und hartes Training ist das eine, die entsprechend nötige Förderung etwas anderes.« Wichtig ist, nebenbei sportlich aktiv zu sein – der Abwechslung wegen und um den Kopf wieder frei zu bekommen: »Wir gehen schwimmen und radeln, machen Cross- und Berglauf, und je näher der Winter kommt, desto stärker rückt das Rollerskaten in den Vordergrund. Bislang haben wir rund 60 Trainingseinheiten zusammen absolviert, im August unter anderem einen fünftägigen Lehrgang in Berchtesgaden«, so der Coach. Dazu bekommen seine Kinder Pläne für das Training zuhause. »Wenn ich merke, dass bei einem der Sportler etwas nicht passt, nehme ich ihn schon mal raus und der Plan wird individuell angepasst. Wir versuchen, so vielfältig als möglich aufgestellt zu sein, im Sinne von Koordination und Fitness.« Der Kraftraum kommt erst im Jugendbereich dazu.
Der Deutsche Schüler-Cup steht an
Das Team von Albert Hinterstoißer war bereits bei der Bayerischen und Oberbayerischen Meisterschaft im Sommerbiathlon aktiv. Ein erster Bayerischer Schüler-Cup stand ebenfalls bereits auf dem Programm und wurde in Neubau am Fichtelberg mit 29 Podestplätzen höchst erfolgreich abgeschlossen. Nun steht der Deutsche Schüler-Cup an, erneut in Neubau. Zum Thema »nie ist alles perfekt«: Wenn sich der Coach, der sich die interne Zusammenarbeit in der Biathlon-Familie fast nicht besser vorstellen kann, einen Wunsch umsetzen könnte, wäre es ein »intensiveres miteinander in der Chiemgau Arena« unter den einzelnen Trainingsgruppen. »Am Ende ist doch immer jeder nur für sich unterwegs. Dabei könnte jeder vom anderen profitieren – wir beispielsweise von den Langläufern, sie von uns.« Hans-Joachim Bittner