Zuvor soll es in der Bar zu einer sexuellen Belästigung gegenüber einer 20-jährigen Schönauerin gekommen sein. Deswegen hatte sich bereits ein zweiter, ein 24- jähriger Holzhandwerker, im Mai verantworten müssen. Damals war ein Nachweis nicht zu führen, weshalb der Strafrichter den Weimarer freisprach. Diesmal ging es darum, was anschließend passierte.
Oberkörperfrei und in Kampfstellung
Eine Gruppe acht junger Leute hatte die drei Handwerker vor der Bar erwartet. Der 24-jährige Weimarer soll von einigen zu Boden geworfen und über die Straße geschleift worden sein. Einer der jungen Männer hatte sich nach übereinstimmenden Aussagen den Oberkörper entblößt und in Kampfstellung positioniert – im November um 4 Uhr früh.
Als die Clique den dritten Handwerker umzingelt hatte, warf der angeklagte 25-Jährige eine Bierflasche. Nach eigener Aussage fünf Meter neben die Clique, um die von dem 39-jährigen Bauhandwerker abzulenken. Was wohl auch gelang. Jedoch behaupteten die Zeugen aus der Clique, dass einer am Hinterkopf getroffen worden sei, den er allerdings mit den Armen geschützt hatte.
Eine Zeugin wollte einen Flaschenwurf ins Gesicht gesehen haben. Ein Dritter versicherte, die Flasche sei auf seinem Schuh gelandet und dort zersplittert. In Folge soll ein Splitter die 20-jährige Schönauerin am Bein verletzt haben, ein weiterer Splitter einem Beteiligten ins Gesicht gesprungen sein.
Der Angeklagte schilderte eine anschließende »Hetzjagd«: »Ich dachte, die bringen mich um.« Die Clique soll die beiden jüngeren Handwerker auf dem Rad nach dem erneuten Aufeinandertreffen mit zwei Autos verfolgt haben, und dann heruntergerissen. Soweit bekannt, hatten alle Beteiligten zuvor einiges getrunken. Zwei Männer aus der Clique wollen selbst versucht haben zu schlichten und gaben den Holzhandwerkern eine Mitschuld. Einer behauptete, sie hätten »uns ständig beleidigt« und mit Mord gedroht. Ein 19-jähriger Berchtesgadener will einen ausgestreckten Mittelfinger gesehen haben.
Ärztliche Atteste bestätigten den beiden jungen Handwerkern Prellungen und Abschürfungen. Der 24-jährige Weimarer trug eine Nasenbeinfraktur davon. »Objektiv bestätigt«, sah Nils Wewer die Anklage, »subjektiv nicht so ganz«. Ein gezielter Treffer war aus Sicht des Staatsanwaltes nicht nachzuweisen, wohingegen die Schönauerin die bedrohliche Situation bestätigt habe. »Ich gehe von Nothilfe aus«, schloss Wewer und beantragte Freispruch. Eine solche Nothilfe mochte auch Pflichtverteidiger Jürgen Pirkenseer nicht ausschließen. Im Übrigen habe der Angeklagte selbst den Flaschenwurf bei der Polizei geschildert, »sonst säßen wir heute gar nicht hier«.
Widersprüche bleiben
Wahlverteidiger Jürgen Tegtmeyer beurteilte die Zeugenaussagen als »sehr widersprüchlich«. Er habe den Verdacht, dass die geschilderten Verletzungen in der Clique nichts mit dem Flaschenwurf seines Mandanten zu tun hatten. »Wir haben den Angeklagten heute gesehen«, erklärte Pirkenseer, »da ist nichts von Aggressivität«. Im Gegenteil: Er sei verfolgt, vom Rad gerissen und verdroschen worden. »Er ist das Opfer und deshalb freizusprechen.«
So sah das auch Martin Forster. Der Strafrichter fasste noch einmal zusammen, weshalb er den ursprünglich vorgesehenen Strafbefehl gegen den 25-Jährigen nicht erlassen und stattdessen eine Hauptverhandlung anberaumt hatte: »Die Widersprüche sind nicht weniger geworden. Es ist nicht möglich, die Sache aufzuklären.«
Die 20-jährige Schönauerin wird sich demnächst ebenso beim Jugendrichter verantworten müssen wie der 24-Jährige mit dem entblößten Oberkörper. Die Auszubildende soll den am Boden liegenden 24-Jährigen mit dem Schuh ins Gesicht getreten haben. Ihre Hose, die sie trug, als man ihr angeblich ans Gesäß gegriffen hatte, hat die Schönauerin im Anschluss sofort entsorgt. Eventuelle DNA-Spuren waren daher nicht mehr festzustellen. In der ersten Verhandlung hatten die Holzhandwerker gemutmaßt, die Clique habe die Geschichte um die sexuelle Belästigung nur erfunden, um ihr Handeln zu rechtfertigen. Hannes Höfer