Die Ausbildung zum Laiendolmetscher, die die Integrationslotsin des Landkreises, Astrid Kaeswurm, in Kooperation mit der Caritas anbietet, hat Nadeem Hassan 2019 absolviert, nachdem er zuvor schon des Öfteren Freunden zur Seite gestanden hat.
Ihm fällt es nicht schwer, sich hierzulande zu verständigen. Und das, obwohl er sich die deutsche Sprache selbst beigebracht hat. Beim Zeitunglesen und Fernsehschauen habe der Migrant, der als Jugendlicher ohne seine Familie nach Deutschland geflohen ist, Deutsch gelernt. »Jedes Wort, das mir fremd war, habe ich mir von Google übersetzen lassen«, beschreibt der 25-Jährige seine Lernstrategie. »Am Anfang waren das ganz schön viele«, erinnert er sich. Sein Fleiß hat einen Deutschunterricht überflüssig gemacht. »Einen Kurs habe ich nicht besucht«, sagt der junge Pakistaner, der in einem Berchtesgadener 4-Sterne-Haus als Hotelfachmann arbeitet. »Ich habe gleich die Prüfung abgelegt und sie bestanden«, sagt er. Es scheint, als sei er ein Sprachentalent. Denn nach dem erfolgreichen Selbststudium der deutschen Sprache hat er immer wieder übersetzt. Nadeem Hassan hat sich mit seinem guten Deutsch im Landkreis einen Namen gemacht. Immer öfter sei er gefragt worden, ob er helfen könne. »Das habe ich immer gerne gemacht«, sagt er. Von einem afghanischen Freund habe er erfahren, dass es im Berchtesgadener Land für ehrenamtliche Übersetzer eigens eine Ausbildung gibt.
»Ich habe angefragt, wann der nächste Kurs startet«, erzählt Nadeem Hassan. »Ich wollte den Schein machen.« Er habe sich für das Auswahlverfahren, für das sich Interessierte vor der Ausbildung anmelden müssen, eingeschrieben und durfte schließlich die Grundausbildung absolvieren. »Wir haben Fachausdrücke gelernt, uns wurde gesagt, dass wir beim Übersetzen nichts weglassen und nichts dazuerfinden dürfen und dass der Inhalt der Gespräche geheim ist«, beschreibt der 25-Jährige wichtige Inhalte des Lehrgangs. Den Kurs habe er als nicht allzuschwer in Erinnerung. Die Prüfung, die aus einem Theorie- und einem Praxisteil bestand, habe er auf Anhieb bestanden und das Zertifikat, das ihn als ehrenamtlichen Laiendolmetscher ausweist, erhalten.
Nun wird er bei der Caritas in einer Ehrenamtskartei geführt und bei Bedarf als Sprachmittler eingesetzt.
»Meist fragt mich Astrid Kaeswurm vom Landratsamt oder Georg Suckau von der Caritas, ob ich Zeit habe, entweder in die Caritas-Geschäftsstelle oder ins Landratsamt, ins Krankenhaus, in eine Anwaltskanzlei oder zur Polizei zu kommen, um dort zu übersetzen.« Oft gehe es in den Gesprächen, bei denen er als Laiendolmetscher mit am Tisch sitzt, um abgelehnte Asylanträge, die angefochten werden. »Mehr verrate ich nicht«, sagt Nadeem Hassan und erinnert an die Schweigepflicht, die der gewissenhafte junge Mann sehr ernst nimmt.
Im näheren Umfeld sei er der einzige Laiendolmetscher, der Urdu – die National- und Amtssprache in Pakistan – spricht. Das Projekt gibt es seit 2018. Im Landkreis wurden bislang 24 Laiendolmetscher ausgebildet.
Die meisten von ihnen sind ehrenamtlich tätig. Der Bedarf an Übersetzern ist da. Laut der Integrationslotsin des Landkreises Berchtesgadener Land, Astrid Kaeswurm, gebe es eine Lücke im Sprachangebot. Es fehlten Sprachmittler für Menschen aus Eritrea, die tigrinisch sprechen, ebenso Ehrenamtliche, die vom Russischen, Polnischen oder Spanischen ins Deutsche übersetzen können. Daher startet im April ein neuer Lehrgang, der 13 weitere Personen als Laiendolmetscher qualifiziert.
Nachdem die Kursteilnehmer die Prüfung bestanden haben, bekommen sie wie Nadeem Hassan ein Zertifikat und stehen wie er Landsleuten als ehrenamtliche Übersetzer zur Seite. »Ich helfe gerne«, sagt das wandelnde Wörterbuch Nadeem Hassan.
Lisa Schuhegger