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Eine Buttnmandl-Bass im Mini-Format.

Das ganze Jahr lang Nikolaus: Markus Springl fertigt in Handarbeit kleinformatige Buttnmandl und Kramperl für die Vorweihnachtszeit

Bischofswiesen – Im Sommerurlaub, am Strand in Italien, las Markus Springl erst kürzlich ein Nikolausbuch und schaute Kramperl-Videos auf Youtube. »Für mich die schönste Zeit des Jahres«, sagt der Bischofswieser in Vorfreude. Heute sitzt er in seiner kleinen Werkstatt zwischen großen Glocken und wabernden Weihrauchschlieren und arbeitet an einer Krampus-Miniatur. Die Bastelei ist leidenschaftliches Hobby, das er ganzjährig betreibt.


Zwischen Stroh und Fell findet sich auf wenigen Quadratmetern des kleinen Werkstatt-Anbaus alles, was Markus Springl glücklich macht: Kramperl, Buttn­mandl und der Nikolaus stehen in Figurenform im Dutzend auf einem Tisch. An den Wänden hängen dicke, messingfarbene Glocken aus Stahlblech in unterschiedlichen Größen. Die Werkstatt ist fensterlos. »Das ist ganz bewusst so gewählt«, sagt Markus Springl, der fast täglich hier ein paar Stunden verbringt. Ob draußen Tag ist oder Nacht, merkt man hier nicht.

Obligatorischer Gang in die Werkstatt

Der gelernte Schreiner, der im Maschinenbau tätig ist, arbeitet Gleitzeit, meist bis nachmittags. Dann kommt er nach Hause, Frau und Kinder warten. Der Gang in die Werkstatt ist obligatorisch. Auch, wenn die Sonne scheint, sagt er. Die fehlenden Fenster helfen dabei, kein schlechtes Gewissen zu haben. Und was täte er auch sonst? »Ich schaue ja kein fern.«

Der hölzerne Anbau am Wohnhaus ist so etwas wie Markus Springls ganz persönlicher Rückzugsort, ein Wohlfühlidyll, in dem er ganzjährig einem ganz besonderen Hobby frönt. Die kleinformatigen Figuren sind für die Vorweihnachtszeit. Von Markus Springl erfordern sie jede Menge Handarbeit.

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Diesen Glockenrucksack aus Leder hat Markus Springl für ein Kramperl gefertigt.

Der heute 40-Jährige war in Jugendjahren selbst ein Kramperl. Am 5. und 6. Dezember begleitete er mit seiner Bass den Nikolaus der »Kälberstoana Buttn­mandl«. Schon als kleiner Bub unterstützte er den Vater beim Basteln von Mini-Kramperl, die man in der Zeit rund um Nikolaus aufstellen kann, um die Wohnung zu schmücken: »Er hat mir gezeigt, wie man das alles macht.« Die Verbundenheit zur Nikolauszeit blieb bestehen, selbst nach der Zeit, in der er das Brauchtum aktiv ausübte.

Seit mittlerweile 16 Jahren gehören Nikolaus, Kramperl und Co. zu Markus Springls Alltag. Die Werkstatt ist so gestaltet, dass alles griffbereit liegt, um die 30 bis 40 Zentimeter großen Figuren zu fertigen. Jede Miniaturabbildung ist eine Kopie eines echten Kramperl oder Nikolaus’, ein handgefertigtes Unikat zum Anschauen oder Bestaunen. Mit Stroh versehen, erinnern die Gesellen an ein Buttnmandl, mit Kunstfell bekleidet an ein Kramperl. Der Nikolaus trägt Mitra, Stab und Buch. »Alles selbst gefertigt«, sagt Markus Springl.

Stroh vom Bauern

Der Familienvater kauft dafür eine Menge an Material, das er zur Herstellung benötigt. Holzbretter für den Standfuß, Haselnussstecken oder einen Besenstiel als Stabilisierung. Die kleinen Ruten aus geflochtenen Weidenzweigen hat er gerade erst am Wochenende zusammen mit seinen Kindern gesucht und gefunden. Von einem Bauern bekommt er Stroh, das er sich zurecht schneidet, je nach Figurengröße.

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Wie im echten Leben: Markus Springl bindet ein Buttn­mandl in Stroh ein.

Als Markus Springl sein erstes Buttnmandl gefertigt hatte, war er stolz drauf. »Da weiß man, was man getan hat«, sagt er. Viele Stunden Arbeit waren es, bis die Abbildung in kleinem Maßstab fertig war. Das Endprodukt gefiel nicht nur der Familie, sondern auch Freunden. Am Stammtisch etwa. »Kannst du mir auch einen machen?«, hieß es dann öfter mal. Die einen wollten das Buttnmandl zur Dekoration, die anderen fragten an, um dem eigenen Ehemann, der selbst mal Teil des Brauchtums war, Freude zu bereiten. »So hat sich das herumgesprochen«, sagt Markus Springl. »Mir gefällt es, wenn die Figuren gut ankommen«, sagt er, während er Weihrauch ins Schälchen nachlegt.

Weihrauch und boarische Musi – das sind die Zutaten, die er braucht, wenn er sich in seiner Werkstatt tummelt. Dann vergisst er das Drumherum, sucht am angedeuteten Dachboden der Werkstatt nach Stroh, greift nach dem roten Stoff, aus dem er Zunge und Augen des Kramperls schneidet, und kramt in den hölzernen Schubladen nach den passenden Glöckchen. Die Mini-Schellen sind natürlich Teil des Ganzen und gehören dazu.

Jeder echte Kramperl kann sich bemerkbar machen, und das gilt natürlich auch für die von Hand gefertigten, kleinformatigen Begleiter des Nikolaus’.

Markus Springl hat sich entschieden, bei seinem Handwerk auf Kunstfell zu setzen: Schneller verfügbar und einfacher zu verarbeiten, sagt er. Mittlerweile weiß er, wie viel Fell er benötigt, wie er es sich zurechtschneidet, um dem Mini-Kramperl ein gut sitzendes Gewand zu verpassen. Die Ärmel stellt er aus Stoff her, einen dünnen Strick verwendet er beim Binden des Strohs für die Buttn­mandl. »Fast wie im echten Leben«, sagt Markus Springl, der jedes Jahr als »Binder« seine Buttnmandl-Bass begleitet und dabei ist, wenn sich die oft jungen Burschen zwei Tage lang ein Strohkleid verpassen lassen. »Die Nikolaustage sind die schönste Zeit des Jahres«, schwärmt der Bischofswieser. An den beiden Tagen, 5. und 6. Dezember, ist er mit dem Auto unterwegs und schaut zu, wenn die in Fell und Stroh gekleideten Gesellen bei Hausbesuchen Kinder überraschen.

Den Bischofsstab des 40 Zentimeter großen Nikolaus’ fertigt der handwerklich Begabte aus einer Dübelstange. Aus Kupferdraht biegt er sich die obenauf sitzende »Schnecke« zurecht. Die Mitra, die traditionelle liturgische Kopfbedeckung des Nikolaus’, wird selbst geschneidert, die Ehefrau hilft fleißig mit.

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Aus dem kleinen Dachboden holt sich Markus Springl Stroh zur Weiterverarbeitung. (Fotos: Kilian Pfeiffer)

Einige von Markus Springls Bekannten bestellten bei ihm ein Abbild ihrer selbst – nur eben in Miniaturausführung. Bei einem befreundeten Schnitzer lässt Markus Springl dann die entsprechende Kramperlmaske im Auftrag schnitzen. Springls handgefertigte Kunstwerke haben es bis nach Frankreich geschafft: Eine Bischofswieserin, die auswanderte, ließ sich die Figuren für ihr neues Zuhause fern der Heimat nachbauen.

Glocken ein seltenes Gut

Als vor einiger Zeit der einzige Eisenwarenhändler im Ort in Ruhestand ging, bemühte sich Markus Springl um dessen Glocken. Glocken sind ein seltenes Gut. Glockenschmieden gibt es weit und breit nicht viele. Echte Kramperl und Buttn­mandl brauchen aber Glockengeläut – so wie Markus Springls Miniaturen. Seitdem hängen, stehen und liegen die geschmiedeten Einzelstücke, vom Baby-Glöckchen bis zur Riesenglocke mit 30 Zentimetern Maulweite, überall in der Werkstatt. Kaputte Glocken baut Springl schon mal zum Lampenschirm um – oder bastelt aus echtem Leder stabile, vernietete Riemen, mit deren Hilfe sich ein kräftiger Kramperl einen mächtig schweren Glockenrucksack auf den Rücken schnallen kann.

»Die Vorfreude auf den Dezember ist größer wie früher«, gesteht Markus Springl mit einem Lächeln. Dann nimmt er einen Schluck aus der Flasche Radler, legt sich Stroh auf dem Tisch zurecht und beginnt mit dem »Einkleiden« eines Mini-Buttnmandls. In einem Monat werden es junge Burschen sein, die sich von Markus Springl ins Stroh einbinden lassen.

Kilian Pfeiffer