Bereits seit 2018 läuft ein Genehmigungsverfahren für ein Leitungsbauprojekt, das ebenfalls die Bundespolizei ins Rollen gebracht hatte. Mit dem Projekt, für das die Gemeinde Ramsau die Federführung übernommen hatte, wäre es künftig möglich, die Abwässer aller auf Kühroint stehenden Gebäude ins Tal zu leiten. Auch der Anschluss des Watzmannhauses wäre zu einem späteren Zeitpunkt möglich.
Dreigeschoßiger Neubau auf der Ostseite geplant
Im Herbst letzten Jahres ist schließlich bekannt geworden, dass die Bundespolizei für ihr Trainingszentrum auf Kühroint einen Neubau auf der Ostseite des Hauptgebäudes plant. Das dreigeschoßige Gebäude würde auf einer Fläche von 283 Quadratmetern an das bestehende Garagengebäude angebaut und sich laut Thomas Lobensteiner »dem gegenüber liegenden Hauptgebäude höhenmäßig anpassen«. Die Größe des geplanten Anbaues entspricht circa einem Drittel der bisher bebauten Fläche des Bestandsgebäudes.
Ganz so leicht geht das aber nicht, denn Baumaßnahmen sind im Nationalpark nach der Nationalparkverordnung grundsätzlich verboten. Die Bundespolizei hofft nun auf eine Ausnahme, beantragt hat die Befreiung von dem Verbot das Staatliche Bauamt Traunstein, unter dessen Regie das Projekt realisiert werden soll. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens, können die beteiligten Behörden, Kommunen und Organisationen noch bis Mitte April ihre Stellungnahmen abgeben. Das hat unter anderem der Gemeinderat Schönau am Königssee schon gemacht. Mit einer Gegenstimme befürwortete das Gremium in nicht-öffentlicher Sitzung das Projekt. Dazu steht Bürgermeister Hannes Rasp auch heute noch. »Wir haben dieser 38-prozentigen Erweiterung im Außenbereich zugestimmt, weil man froh sein muss, dass es diesen Stützpunkt der Bundespolizei gibt«, sagt der Rathauschef. »Das Trainingszentrum wird mit diesem Anbau wieder zukunftsfähig. Außerdem war das Haus schon vor dem Nationalpark da.« Grünes Licht kam im übrigen auch vom Nationalpark.
Vorrang für den Schutz der Natur im Nationalpark
Ganz anders sehen es die Naturschutzorganisationen, die gestern Donnerstag zu einer Online-Pressekonferenz eingeladen hatten. Sie lehnen den Um- und Ausbau des Unterkunftshauses zu einem multifunktionalen Trainings- und Tagungszentrum ab, denn im Gebirgsnationalpark habe die einzigartige Natur und ihr Schutz Vorrang. Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern, formuliert es so: »Der Nationalpark Berchtesgaden ist der einzige Gebirgsnationalpark in Deutschland und daher für den nationalen Naturschutz von höchster Bedeutung. Die bestehende touristische Infrastruktur ist strikt auf den bestehenden Bestandsschutz beschränkt. Erweiterungen sind nicht zugelassen, das wurde kürzlich am Watzmannhaus vor Gericht bestätigt.« Der Bund Naturschutz spüre eine besondere Verantwortung für den Nationalpark, weil er maßgeblich zu seiner Gründung beigetragen habe.
Ähnlich sieht es Hartwig Brönner, stellvertretender Vorsitzender des LBV: »Öffentliche Einrichtungen haben eine Vorbildfunktion bei der Umsetzung hochrangiger Naturschutzziele. Doch schon jetzt gibt es einen erheblichen Fahrzeugverkehr, der in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Dieser Nutzungsdruck darf durch die Erweiterung von Infrastruktur mit einer Zunahme von über 30 Prozent Gebäudefläche sowie zunehmenden Störungen nicht weiter erhöht werden«, Brönner fordert deshalb eine Alternativenprüfung.
»Wir wenden uns nicht gegen die traditionelle Nutzung wie die Bergausbildung der Bundespolizei am Kührointhaus. Diese Nutzung ist Teil der Nationalparkhistorie und soll erhalten werden. Doch eine Umwandlung zu einem multifunktionalen Trainings- und Tagungszentrum ist für uns nicht akzeptabel«, äußert sich Dr. Sabine Rösler, Vorsitzende des Vereins zum Schutz der Bergwelt.
Leitungsverlegung auch in Wanderwegen?
Geplant ist auch ein Leitungsbau für Wasser, Abwasser, Strom und Glasfaserkabel – finanziert zu 70 Prozent über das Berghütten-Projekt der Staatsregierung für Lagen über 1000 Meter. Laut Rita Poser, Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz im Berchtesgadener Land, soll die Trasse nicht ausschließlich entlang der Forststraße führen, sondern teilweise auch entlang von Wanderwegen, um die Trasse etwas zu verkürzen. »Das könnte zu massiven Beeinträchtigungen führen, die dauerhaft bleiben, zumal es sich dort auch um Auerhuhngebiete handelt«, sagt Rita Poser. Sollte die Leitung nur in der Straße verlegt werden, sieht auch die BN-Kreisvorsitzende hier keine Probleme. Allerdings betrachtet sie den Anschluss des Watzmannhauses äußerst skeptisch, denn dort wären nach ihren Worten sehr hochwertige Flächen betroffen, teilweise müsste die Leitung auch frei hängend im Fels verlegt werden.
Ihre Sorgen bezüglich der Baupläne auf Kühroint haben die Naturschutzverbände auch in einem Schreiben an Bundesinnenministerin Nancy Faeser, den Bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber, Bundesumweltministerin Steffi Lemke und den Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums, Dr. Dieter Roman, kund getan. Unterschrieben ist es auch von Florian Schöne, Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzrings.
Keine Frage, dass sich die Naturschutzorganisationen mit ihrer Ablehnung des Projekts bei Kühroint-Chef Thomas Lobensteiner nicht unbedingt beliebt machen. Der Siegsdorfer, im Ehrenamt auch Vorsitzender der Bayerischen Bergwacht, stört sich vor allem an ihrer Argumentation: »Der BN war sowohl über die Aufgaben des Kührointhauses als auch über die Gründe der Baumaßnahme informiert. Es ist völlig unverständlich, weshalb der BN sachfremde Argumente anführt, trotz besseren Wissens und umfangreicher Information. Bei diesem anerkannten Naturschutzverband hätte ich mehr Sachlichkeit und weniger Polemik erwartet. Letztendlich ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, wie man mit Fakten umgeht.«
Bau einer Waffenkammer und eines Serverraums
Mehrere Gründe gibt Lobensteiner auf Anfrage des »Berchtesgadener Anzeigers« für die Baupläne an, unter anderen die Umsetzung gesetzlicher, arbeitsschutzrechtlicher und sicherheitsrechtlicher Vorgaben sowie Vorgaben des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums der Finanzen, »zum Beispiel den Bau einer Waffenkammer und eines Serverraums für die sicheren Netze des Bundes und der Länder«. Darüber hinaus sei der Raumbedarf für das Stammpersonal im Altbau nicht gedeckt und man brauche eine Garage für zwei bislang im Freien parkende Dienstfahrzeuge. Schließlich habe man den bisherigen Trainings- und Besprechungsraum aufgrund fehlender Raumhöhe und Lüftungstechnik nicht mehr verwenden dürfen und der Erste-Hilfe-Raum müsse aufgrund gesetzlicher Vorgaben neu errichtet werden.
Es sei geprüft worden, teilt Lobensteiner mit, ob man all das im Bestandsgebäude oder im Tal hätte umsetzen können. All das habe man verworfen. Lobensteiner verweist auf die umfangreichen naturschutzrechtlichen Prüfungen und versichert, das mit dem Bau »eine Erhöhung der Teilnehmerzahl nicht verbunden ist«. Die Teilnehmer würden weiterhin im Bestandsbau untergebracht, in Stuben von 4 bis 26 Personen. Der Fahrverkehr mit Dienstfahrzeugen ändere sich daher nicht.
Mit Nachdruck betont Lobensteiner, dass das Trainingszentrum auch ein ausgewiesener Stützpunkt für die Bergrettung in den Berchtesgadener Alpen sei. Die Bundespolizei selbst führe mit Ausnahme von Übungen mit der Bergwacht selbst seit 15 Jahren keine Hubschrauberübungen mehr im Nationalpark durch. In den letzten fünf Jahren habe es von insgesamt 92 Landungen auf Kühroint lediglich zehn Landungen außerhalb von Luftrettungsmaßnahmen gegeben.
Das Landratsamt entscheidet
Das Landratsamt muss nun darüber entscheiden, ob es hier eine Befreiung von den Festlegungen in der Nationalparkverordnung und eine Baugenehmigung geben kann. Doch was geschieht, wenn die Naturschutzverbände mit ihren Bemühungen, das Bauprojekt zu verhindern, scheitern? Oft genug war der Bund Naturschutz erfolgreich, wenn er als letztes Mittel vor Gericht zog. Doch mit einer Klage will man beim BN diesmal (noch) nicht drohen. »Wir wollen uns jetzt nicht mit dem Gedanken befassen, gerichtlich gegen die Bundespolizei vorzugehen«, sagt BN-Landesvorsitzender Richard Mergner. Man favorisiere Aktivitäten auf politischer Ebene.
Training in 1400 Metern Höhe
Das auf 1400 Metern Höhe gelegene Kührointhaus ist ein robuster ehemaliger Wehrmachts-Bau aus dem Jahre 1938. Nach Fertigstellung des Hauses zog dort das Bad Reichenhaller Gebirgs Artillerie Regiment 79 ein. Nach Kriegsende übergab der Freistaat Bayern als Rechtsnachfolger des Gebietes das Kührointhaus zunächst an den bayerischen Jugendring, der seiner Klientel besondere Ferientage im Hochgebirge anbieten konnte. In dieser Zeit begann man bereits mit der Erschließung des Hauses, das zu Wehrmachtszeiten eher spartanisch ausgestattet war.
Im Jahre 1956 zog die Bundespolizei, damals noch Bundesgrenzschutz, im Kührointhaus ein und nutzte es als Bergausbildungsstätte. Der Bundesgrenzschutz, bis dahin Pächter, wurde 1972 Besitzer der Liegenschaft und acht Jahre später wurde das Kührointhaus offiziell zur Dienststelle erhoben. Weitere Umbaumaßnahmen folgten. So wurden beispielsweise die Unterbringungskapazitäten auf 80 Plätze reduziert und ein Wasserhochbehälter gebaut.
Im Jahr 2000 übernahm die Grenzschutzschule als zentrale Fortbildungseinrichtung des BGS das Kührointhaus und benannte die bisherige Bergausbildungsstätte in Trainingszentrum um. Heute ist das Berghaus eine nachgeordnete Dienststelle der Bundespolizeiakademie mit einer Unterbringungskapazität von 54 Teilnehmern. Das zum Haus gehörende Gelände und die umgebende Bergwelt sind idealer Platz, um für außergewöhnliche Situationen zu trainieren.
Das Trainingszentrum bietet den Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes und den Polizeien der Länder Inhalte aus den Bereichen Teamtraining, Aktive Regeneration und Gesundheitsförderung, Gebirgsausbildung von Spezialeinheiten und Nachbereitung von Auslandseinsätzen. Neben den Seminaren finden hier immer wieder Klausur- und Sicherheitstagungen statt, oft mit internationaler Beteiligung. Laut einer Internetinformation der Bundespolizei, die aber inzwischen wieder gelöscht ist, kommen jedes Jahr rund 2500 Teilnehmer für die ein- bis zweiwöchigen Lehrgänge in das Trainingszentrum.
Ulli Kastner