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Die Nacht zum Tag gemacht: Weil das Wetter die ersten Tage nicht ganz mitspielte, musste Florian Reiterberger mit seinem Fatbike vor allem in den Nachstunden fahren – und das bei eisigen Temperaturen.

In neuer Rekordzeit durch die Wildnis von Schweden

Was für ein perfekter Saisonstart für Florian Reiterberger! Der Extremsportler aus Eggstätt hat zum zweiten Mal nach 2022 den Montane Lapland Arctic Ultra (MLAU) in Schweden gewonnen – und das auch noch in einer neuen Rekordzeit! »Das hatte ich wirklich gar nicht auf dem Schirm«, sagte der Sieger nach seiner Ankunft in Överkalix. Insgesamt benötigte er für die 500 Kilometer lange Strecke durch die Wildnis von Lappland fünf Tage, zwei Stunden und sieben Minuten. Die Franzosen Mathieu Bonnier (Skier) und Thierry Corbari- eu (Läufer), die zeitgleich als Zweite ins Ziel kamen, benötigten über 20 (!) Stunden mehr.


Dabei stand das Rennen für Florian Reiterberger gleich aus mehreren Gründen unter gar keinem so guten Stern. Doch er trotzte allen Widrigkeiten, am Ende war ihm sein Erfolg aber einmal mehr gar nicht so wichtig. »Für mich zählt eher das Naturerlebnis«, sagt er bescheiden. »Ich kann bei solchen Rennen einfach zur Ruhe kommen, freue mich darüber, dass ich viele alte Bekannte wiedertreffe und eine schöne Zeit habe. Das alles zählt für mich letztendlich viel mehr als das Gewinnen.«

Kurz vor seinem Flug nach Schweden plagte sich Reiterberger jedenfalls noch mit einer Erkältung herum. Doch er bekam rechtzeitig vor dem Abenteuer in der Wildnis von Schweden grünes Licht für einen Start. »Das hat dann doch noch ganz gut gepasst«, zeigte er sich erleichtert, schließlich bereitete er sich monatelang auf dieses Rennen vor.

Auch der Wettkampf am Polarkreis selber war diesmal eine echte Herausforderung für die Teilnehmer, die bei diesem Rennen mit dem Rad, mit Langlaufskiern oder auch als Läufer über die vier verschiedenen Distanzen starten konnten. Die Temperaturen in Schweden waren in den Tagen vor den Start und auch noch die ersten Wettkampftage viel zu hoch, der Trail schmolz den Teilnehmern praktisch unter den Füßen weg.

Für Reiterberger und die anderen Starter, die das Abenteuer mit dem Rad angingen, hieß das: viel schieben! »Anfangs habe ich auch nicht daran geglaubt, dass ich es irgendwie ins Ziel schaffen werde«, berichtete der Radsportler, der wieder mit seinem Fatbike unterwegs gewesen ist. »Ich musste so wahnsinnig viel schieben, von den 500 Kilometern waren das sicher 100.« Das sei eine Katastrophe gewesen, ergänzte er.

Doch Reiterberger bewahrte Ruhe, machte aus der Not eine Tugend und fuhr einfach viel in der Nacht – wohlwissend, dass das Wetter den Teilnehmern dann doch noch in die Karten spielen sollte. »Nach zweieinhalb Tagen ist es wieder kälter geworden, der Trail ist richtig durchgefroren – und schon ging's besser.«

Und das Fahren durch die Nacht machte den erfahrenen Sportler einmal mehr nichts aus. »Nur eines hat mich dabei gestört: Ich wollte den Teil der Landschaft, den ich 2022 nicht gesehen habe, weil ich eben nachts dort durchgefahren bin, diesmal bei Tageslicht machen. Doch daraus ist teilweise wieder nichts geworden. Jetzt weiß ich immer noch nicht, wie es auf diesen Abschnitten ausschaut«, lachte der Eggstätter, der sich vor kurzem mit einer Radlwerkstatt selbstständig gemacht hat.

Aber Sightseeing hin oder her: Reiterberger hakte einen Checkpoint nach dem anderen ab – dort hatte er auch nur immer ganz kurz Kontakt mit der Zivilisation. »Die meiste Zeit war ich allein unterwegs«, berichtete er. Tiere habe er diesmal auch weniger gesehen wie noch 2022. »Nur einmal, als ich vom Rad unfreiwillig absteigen musste und in den Büschen gelandet bin, hat mir direkt eine Elchkuh in die Augen geschaut«, lachte er. Passiert sei bei dem Sturz Gott sei Dank nichts.

Und auch das Material hat gehalten. »Lediglich die Schaltung hat Zicken gemacht«, berichtete Reiterberger. Das sei wohl wegen der unterschiedlichen Temperaturen passiert. »Aber ich konnte noch sieben von elf Gängen nutzen. Das war für mich völlig okay.«

Was ihn beim MLAU wieder besonders gut gefallen hat, sei das familiäre Umfeld gewesen, betonte er noch. Und auch die Herzlichkeit der Menschen dort. Mitten auf der Strecke steckte an einer Wegmarkierung etwa eine bayerische Fahne – darauf stand geschrieben: »Goo Florian.«

Auch deshalb zögerte Reiterberger keine Sekunde, als er vom Pech einer anderen Teilnehmerin hörte. Der Eggstätter war schon längst im Ziel und erholte sich von den Strapazen des Rennens, als ihn die Rennleitung um Hilfe bat. Pat Cooke-Rogers hatte ein Problem mit ihrem Rad, sie stand kurz davor aufzugeben. Reiterberger machte sich sofort auf den Weg zum Checkpoint. »Das war in zwei Minute erledigt und Pat konnte weiterfahren«, freute er sich. Wegen all dieser positiven Erfahrungen in Schweden kann sich Florian Reiterberger auch gut vorstellen, bereits im nächsten Jahr wieder dorthin zurückzukehren und das Rennen erneut anzugehen. Doch soweit kann er noch nicht planen. Denn: »Ich habe auch noch einen ganz anderen großen Traum«, verriet er. 2016 hatte er ja als Erster den Yukon Arctic Ultra in Kanada gewonnen. Auch dorthin will er noch einmal zurückkehren und das Rennen über 430 Meilen angehen. Vielleicht eben sogar schon 2025. »Da muss man jetzt mal schauen.«

Der Plan für dieses Jahr steht aber bereits. Reiterberger hat jetzt nur ein wenig Zeit, um sich zu erholen. Schon im April steht für ihn und seine Lebensgefährtin Tina Gröne die nächste sportliche Herausforderung an. Beide werden wieder am Veneto Gravel, ein Bikepacking-Rennen durch Venetien, teilnehmen – und das vor allem als Vorbereitung für ihr ganz großes Vorhaben in diesem Jahr nehmen.

Im Juni wollen sie ihr Projekt »Toe to tip« verwirklichen. Sprich: Die beiden wollen von Italien bis Dänemark mit dem Rad fahren – und zwar von der Zehe bis zur Spitze. Los gehen soll es am 3. Juni im italienischen Ort Reggio di Calabria. Ziel ist das dänische Skagen. »Das ist kein Rennen, aber die Tour durch Zentraleuropa hat wohl noch nie jemand gemacht. Also wird's Zeit«, sagte Reiterberger mit einem Lachen. SB