Besorgte Nachfragen
Die bisherigen Flüge der zusammen mit Bavaria im Sommer 2021 zweiten ausgewilderten Bartgeierdame Wally konnten dagegen, trotz kleiner technischer Probleme, weitgehend lückenlos überwacht werden. Das öffentliche Interesse an den beiden ersten in Deutschland ausgewilderten Bartgeiern über 100 Jahren nach ihrer Ausrottung war und ist so groß, dass nach dem Ausfall des Senders am 24. November 2021 eine Vielzahl besorgter Nachfragen bei LBV und Nationalpark eingegangen sind. Umso schöner nun die offizielle Entwarnung: Beiden Bartgeierdamen geht es gut. Alle ihre Flugrouten können weiterhin auf der Webseite www.lbv.de/bartgeier-auf-reisen mitverfolgt werden.
Bei den derzeitig schwierigen Nahrungsbedingungen halten sich Wally und Bavaria in für sie bekannten Gebieten auf. Bavaria ist aktuell in der Hochschwabgruppe in der Steiermark, wo sie bereits im Oktober auf ihrem Weitflug bis vor die Tore von Wien gekommen war. Das Gebiet ist bekannt für seine guten Gams- und Steinbockbestände.
Bekannte Orte
Auch Wally ist mehr oder weniger systematisch in den letzten zwei Wochen ihre bisherigen Aufenthaltsorte, unter anderem an der Watzmann-Ostwand und dem Pass Lueg, abgeflogen, wo sie schon zuvor Nahrung gefunden hatte. »Es scheint ein Verhalten unserer Geier zu sein, dass sie sich bei schwierigen Nahrungsbedingungen mit viel Schnee und wenigen Lawinen auf vertrautes Gebiet verlassen«, erklärt Toni Wegscheider. Neben dem gemeinsamen Bartgeierteam zeigte sich auch die Online-Fangemeinde von Wally und Bavaria, die zuvor jeden Ortswechsel der GPS-Daten im Gästebuch auf der Webseite des LBV genau verfolgt hatte, vom Ausbleiben weiterer Ortungen sehr beunruhigt. Um die Flugwege von Bavaria trotz Senderausfalls mitverfolgen zu können, bat der LBV öffentlich um Meldungen von möglichen Bartgeierbeobachtungen – mit überwältigender Resonanz.
»Die Menge an eingehenden Nachrichten aus ganz Deutschland und Österreich hat uns verblüfft«, erzählt Toni Wegscheider. Die Anteilnahme war dabei so groß, dass Dutzende Fotos von Seeadlern aus Brandenburg, Steinadlern aus Salzburg und selbst eines Storchs aus Bayern als potenzielle Bartgeiersichtungen die Naturschützer erreichten. Und obwohl mehrere vielversprechende Beobachtungen vor allem aus den Salzburger Alpen gemeldet wurden, blieb doch ein eindeutiger Nachweis wie etwa ein Foto mit erkennbarer Flügelmarkierung von Bavaria aus.
Ausreichend Aas
Immerhin konnte Bavaria einige Tage nach dem letzten Signal noch einmal eindeutig und bei bester Gesundheit von einem Jäger beobachtet werden. »In langjährigen Studien wurde festgestellt, dass ausgewilderte Bartgeier im Alpenraum eine Überlebensrate von fast 90 Prozent haben. In den Jungvögeln ist bereits das gesamte biologische Verhalten abgespeichert, so dass diese bei der Auswilderung sehr gut ohne Elternvögel zurechtkommen«, erklärt Nationalparkleiter Dr. Roland Baier.
Durch die ununterbrochen eingehenden Senderdaten und Beobachtungen von Wally wusste das Team, dass diese immer ausreichend Aas, meist abgestürzte Gämsen, im Umfeld des Nationalparks finden konnte. Und auch Bavaria hatte auf einem mehrwöchigen Flug quer durch die Ostalpen im Spätherbst bewiesen, dass sie ebenfalls bestens für ein Überleben in freier Wildbahn geeignet ist.
Warten auf die erste Eiablage
Das Betreuerteam des bis etwa 2030 laufenden Projekts arbeitet bereits an Lösungen, um solche technischen Probleme zu beheben. Die nächsten, wohl im Juni 2022, im Nationalpark Berchtesgaden auszuwildernden Geier tragen dann hoffentlich stabiler funkende Sender, um sowohl den vielen Interessierten als auch den Verantwortlichen bei LBV und Nationalpark ähnliche Sorgen wie in den letzten Wochen bei Bavaria zu ersparen.
Im Rahmen der Zucht junger Bartgeier für die kommende zweite Auswilderung im Juni im Nationalpark Berchtesgaden ist im Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) bereits der erste Jungvogel dieses Jahr geschlüpft. Beim Brutpaar im Tiergarten der Stadt Nürnberg warten alle beteiligten Projektpartner weiterhin gespannt auf die erste Eiablage.
fb