Gesucht werden also nur weibliche Namen. Die endgültige Auswahl trifft dann eine Jury, bestehend aus Vertretern der Nationalparkverwaltung, des Vereins der Freunde des Nationalparks und des »Berchtesgadener Anzeigers«.
Und wieder sind es zwei Geier-Mädchen. Nach Wally und Bavaria werden ab 9. Juni also erneut zwei weibliche Bartgeier, eine Schwester von Wally und eine Cousine von Bavaria, für einige Wochen die Auswilderungsnische am Fuße des Knittelhorns bewohnen. Der Gentest, der im andalusischen Aufzuchtzentrum Guadalentin über eine Blutprobe der beiden Vögel durchgeführt wurde, brachte jetzt dieses Ergebnis. Schließlich gibt es bei dieser Vogelart keine äußerlichen Merkmale, durch die Männchen und Weibchen zweifelsfrei unterschieden werden können.
Als die beiden am 6. beziehungsweise 9. März geschlüpft sind, hat man ihnen die Zuchtnamen BG 1145 beziehungsweise BG 1147 gegeben. Gerufen wurden sie allerdings Lizzie und Vitale. Diese vorläufigen Namen gehen auf die Fotografinnen Lizzie Daly und Ami Vitale zurück, die sich für den Schutz von Natur und Umwelt einsetzen. Eine Aussage zum Geschlecht der beiden Geier hat man damit aber nicht getroffen. Erst jetzt weiß man, dass erneut zwei weibliche Namen zu suchen sind.
Die Namen der beiden Neuen im Klausbachtal sollen am 9. Juni bei der Auswilderung am Klausbachhaus verkündet werden. Für die eine Namensvergabe (BG 1145) ist der Landesbund für Vogelschutz zuständig, nach dem zweiten Namen (BG 1147/Vitale, eine Schwester von Wally) sucht die Nationalparkverwaltung zusammen mit der Redaktion des »Berchtesgadener Anzeigers« als Medienpartner. Und die Lokalzeitung setzt hierbei auf die Mithilfe ihrer Leserinnen und Leser. Wer glaubt, eine originelle Idee zu haben, sendet bis spätestens Sonntag, 29. Mai, eine E-Mail mit seinem Namensvorschlag an die Adresse gewinnspiel(at)berchtesgadener-anzeiger.de.
Aus allen eingesandten Vorschlägen wählt eine Jury aus Vertretern der Nationalparkverwaltung, des Vereins Freunde des Nationalparks und der »Anzeiger«-Redaktion den nach ihrer Meinung besten aus. Der »Taufpate« oder die »Taufpatin« wird als Ehrengast zur Auswilderung am 9. Juni eingeladen. Bis es so weit ist, werden BG 1145 und BG 1147 noch kräftig wachsen müssen. »Die Gewichtszunahme ist in den nächsten Wochen das oberste Ziel«, schreiben Toni Wegscheider und David Schuhwerk in ihrem Bartgeierblog auf der Homepage des Landesbunds für Vogelschutz. Schließlich legen Bartgeierküken von etwa 150 g Geburtsgewicht bis auf etwa 5,0 bis 5,5 kg im Alter von drei Monaten zu – dem Alter, in dem sie ausgewildert werden können. Die Phase der Handaufzucht darf dabei laut der LBV-Experten nicht zu lange andauern, um eine Prägung auf den Menschen zu verhindern. Die Auswilderung in die freie Natur, aber auch die Fortpflanzung im Zuchtprogramm wären dann nicht mehr möglich.
Wenn es so weit ist, werden die Küken erst einmal in den Tiergarten Nürnberg gebracht, wo man zur späteren Wiedererkennung die Federn bleicht und die Sender, die kurz vor der Auswilderung angebracht werden, anpasst. Die Reise ins Frankenland ist für die beiden Geiermädchen diesmal besonders komfortabel, denn sie werden per Flugzeug angeliefert. Vertreter des Tiergartens Nürnberg fahren die Bartgeier dann nach Ramsau, wo sie zunächst am Fuße des Knittelhorns in derselben Nische, die Wally und Bavaria im vergangenen Jahr bewohnt haben, unterkommen.
Etwa einen Monat nach der Auswilderung unternehmen die Bartgeier ihren Erstflug in die Umgebung. Erst nach etwa vier Monaten geht es auf Reisen. »In der Regel ist ein junger Bartgeier fünf bis acht Jahre unterwegs«, sagt stellvertretender Nationalparkleiter Uli Brendel. Dann komme er in die Region zurück, in der er ausgewildert worden ist. »Zwei Drittel der Bartgeier werden heimisch zum Brüten«, erklärt er.
Die beiden spanischen Jungvögel waren dem Nationalpark und dem LBV aus dem europäischen Bartgeier-Zuchtnetzwerk der Vulture Conservation Foundation (VCF) zugeteilt worden. LBV und Nationalpark können dabei auf viele Erfahrungen der ersten Geiersaison zurückgreifen, um auch den nächsten Vögeln einen optimalen Start in ihren zukünftigen Lebensraum in den Ostalpen zu ermöglichen. Denn Wally und Bavaria befinden sich nach Expertenmeinung in bester Verfassung. Auch wenn Wally ihren GPS-Sender vermutlich im April im Zugspitzgebiet verloren hat.
Ulli Kastner