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Foto: Andreas Pfnür

Der verschwundene Namenspatron: Gedenktag für den heiligen Thomas von heute auf den 3. Juli verlegt

Berchtesgaden – Ja, wo ist er denn geblieben, der Apostel Thomas, der außer in der katholischen auch in der orthodoxen und anglikanischen Kirche verehrt wird? Heute, am 21. Dezember, sucht man ihn im Kalender vergebens. Dabei ranken sich gerade im Alpenraum an diesem Tag so viele Geschichten und Bräuche um ihn.


Man spricht von der »Thomasnacht«, der längsten Nacht zur Wintersonnenwende; da und dort erzählen sich die Leute gar Schauriges vom »Bluatig'n Thamerl« oder vom »Thamerl mit'm Hammerl«, der in den dunklen Nächten manches menschliche Fehlverhalten ahndet, vergleichbar mit der Percht oder dem Krampus.

Aber auch als wohlgesinnter Helfer ist Thomas bekannt und wird als solcher angerufen, wie Heimatforscher Rudolf Kriss in seinem Buch »Sitte und Brauch im Berchtesgadener Land« schreibt. Da ist vom »Bettstatt-Trett'n« die Rede; ein Rat an alle heiratslustigen Mädchen. Aufgesagt wird dazu der Orakelspruch: »Bettstatt i tritt di, heiliger Thomas i bitt' di, lass' mir erscheinen den Herzallerliebsten meinen!« Im Schlaf erscheint dem Mädchen dann der künftige Geliebte.

Ein weiterer Orakelbrauch am Thomastag ist überliefert: vom Schuhwerfen rückwärts über die rechte Schulter. Schaut die Schuhspitze her, so führt eine bestehende Liebschaft zur Heirat, schaut sie weg, so geht die Sache wieder auseinander. Ein wichtiger Tag also, der Thomastag, oder können wir aufgeklärten Menschen darüber heute nur noch lachen? Doch die Frage ist dennoch berechtigt: Wo ist er denn geblieben, der altvertraute Heilige und Fürsprecher? Wo noch dazu der Vorname Thomas ungebrochen sehr beliebt ist. Hat man ihn ganz aus dem Heiligenkalender gestrichen, weil er der christlichen Überlieferung nach so ungläubig, ja sogar ein Zweifler war? Folglich kein Platz mehr für ihn unter den verehrungswürdigen Heiligen?

Keine Sorge: Es gibt ihn Gott sei Dank noch, den heiligen Thomas. Allerdings hat man seit der Liturgiereform im Jahre 1970 seinen Gedenktag vom 21. Dezember auf den 3. Juli verlegt, weil an diesem Tag seine Gebeine von Indien, wo er wirkte und starb, im 13. Jahrhundert durch Kreuzfahrer nach Ortona in Italien gebracht wurden. Im dortigen Dom befindet sich der Reliquienschrein des hl.Thomas unter einem Altar. Der hl. Thomas ist sogar zum Patron von Portugal, Ostindien, wo er wirkte, der Städte Urbino, Parma und Riga, ja sogar des Vatikanstaates aufgestiegen. Das will was heißen.

Die kalendarische Namensverlegung durch die römische Liturgiereform müssen wir wohl oder übel hinnehmen, doch alle Thomas-Namensträger können sich ja immer noch entscheiden, wann sie ihren Namenstag feiern wollen. Auch die Bau- und Zimmerleute, die Architekten, die Vermesser, ja sogar die Theologen, deren Patron Thomas ist, werden unverändert noch am 21. Dezember als Gedenktag festhalten. Und nicht zuletzt auch die Brauchtumsforscher werden sich mit der Verlegung schwertun; ist doch der Thomastag nach uralter Tradition weit mehr in der Zeit der Wintersonnenwende verankert als im Hochsommer. Schließlich haben dem sogar die Kalender-Reformer notgedrungen Rechnung getragen, denn nach der sogenannten Perikopenverordnung der katholischen Kirche, die 2019 gültig wurde, wird als Gedenktag des hl. Thomas weiterhin der 21. Dezember zugelassen.

Manfred Angerer

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