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Doppel-Silbermedaillen-Gewinner Hansi Lochner (r.) aus der Schönau mit einem seiner Vierer-Anschieber, Christian Rasp vom WSV Königssee.

Historisches und aktuelles Edelmetall im Kurgarten – Berchtesgaden ehrt und feiert seine Olympioniken

Berchtesgaden – Die Medaillen haben sich erheblich vergrößert und sind um das Vierfache schwerer geworden: Die leichte Silber-»Plakette«, die Christa Schmuck 1968 in Grenoble gewonnen und am Donnerstagabend zum Olympia-Empfang in den Kurgarten Berchtesgaden mitgebracht hat, nimmt sich im Vergleich zu den heutigen Pracht-Exemplaren von Geisenberger, Lochner & Co. geradezu bescheiden aus. 1998 in Nagano begann bereits die Zeit kunstvoller Designs, wie die Silbermedaille von Rennrodlerin Barbara Niedernhuber beweist. Kurios geschwungen waren jene von Skeleton-Pilotin Anja Selbach (Huber) oder Rennrodler Alex Resch von Vancouver 2010 – seine Goldene von Salt Lake City 2002 war noch erheblich kleiner.


Der Platz vor der kleinen Bühne füllte sich ordentlich, die Berchtesgadener wollten ihre Olympia-Starterinnen und -Starter hochleben lassen – egal, ob sie mit Edelmetall zurückkehrten oder nicht. Die Bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber unterstrich, dass »einer eben auch Vierter werden muss«. Deshalb sei Felix Loch ihr Olympia-Held. »Weil er besondere Größe zeigte und sich im Ziel so sehr über Gold und Silber der Damen freute.« Skeleton-Pilotin Tina Hermann (30) vom WSV Königssee musste ebenfalls mit Platz 4 zufrieden sein – und das war sie: »Ich kann gut damit leben.«

Knapp zwei Stunden durften die Menschen bei diesem besonderen Termin fröhlich sein und die aktuellen Ängste und Sorgen ein wenig beiseite schieben – vergessen auf gar keinen Fall: Bereits in diesen Stunden ist Felix Loch im Rahmen des von Biathlon-Olympiasieger Jens Steinigen gegründeten Verein »Athletes for Ukraine« mit einem Bus-Konvoi (acht Fahrzeuge) voller Hilfsmittel Richtung Ost-Europa unterwegs. Bei der Rückfahrt sollen 40 schwerbehinderte Menschen mitgenommen und in heimischen Einrichtungen untergebracht werden. Unterstützt wird die Aktion unter anderem von Tobi Angerer und Felix Neureuther. »Es ist unvorstellbar, dass es noch mal einen Krieg in Europa gibt, quasi direkt vor unserer Haustür«, zeigte sich Felix Loch auf der Empfangsbühne bestürzt.

Dr. Bartl Wimmer (Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden) zeichnete für den Abend verantwortlich. Als Ehrengast kam Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gerne ins Berchtesgadener Land, bot Moderator Wasti Rasp kurzerhand salopp – »des konst macha wiast mogst« – das »Du« an und zeigte sich »extrem stolz« über die eingefahrenen Erfolge der Berchtesgadener Sportler/-innen. Zusammen mit Landrat Bernhard Kern gab die Polit-Prominenz zudem ein klares Statement zum Wiederaufbau der teilzerstörten Kunsteisbahn-Anlage am Königssee ab – der Applaus war ihnen damit sicher. Darüber freuten sich neben den Sportlerinnen und Sportlern vor allem die BSD-Vorstände Thomas Schwab und Alexander Resch – sie hatten im Namen der fünf Berchtesgadener Gemeinden und des Vereins Sport Talent für die Organisation des Abends gesorgt.

Die Bürgermeister überreichten Präsente an ihre sportlichen Gemeindebürger/-innen, der Nachwuchs extra angefertigte Glasmedaillen mit der Aufschrift »Mein Idol«. Die Vorbildwirkung der Olympioniken gerade für die Kleinsten unterstrich vor allem Alexander Resch: »Ihr habt eine riesige Verantwortung.« Er lobte den »sympathischen Auftritt« der heimischen Olympioniken: »Sie haben unsere Heimat sensationell vertreten.«

Ohne Ausweis und Geld am Flughafen

Für den Bob-Bereich sprangen Hansi Lochner und einer seiner Vierer-Anschieber, Christian Rasp (WSV Königssee), auf die Bühne und berichteten »grad raus« von ihrer Auf- und Ab-Saison. Für Schmunzeln sorgte die Geschichte des zweifachen Silbermedaillen-Gewinners, seinen Reisepass inklusive Geldbeutel im Hotel vergessen zu haben, als er am Flughafen zur Abreise ankam. Eine Viertelstunde vor Abflug kamen die Papiere und er konnte den Flieger besteigen. Ob es mit der Karriere weitergeht, wird im Sommer entschieden.

Überhaupt sind vor allem die Routinierten am Überlegen, ob und wie es weitergeht: Die Rennrodler Tobias Wendl und Tobias Arlt wollen zumindest noch ein Jahr weitermachen, bis zur WM 2023 in Oberhof. Die nächsten Olympischen Spiele 2026 sind zumindest bei Hansi Lochner kein Thema mehr – bei Anna Berreiter (RC Berchtesgaden) freilich absolut, sie ist erst 22. Die erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin Natalie Geisenberger und auch Skeleton-Weltmeisterin Tina Hermann werden wohl »nur noch« von Jahr zu Jahr schauen – eine Sache, die diesen unsicheren Zeiten geschuldet ist. »Niemand weiß, was in vier Jahren ist«, drückte es Innenminister Herrmann mit einem großen Verständnis für die Sportler/innen aus. Den heimischen Snowboarderinnen geht es da nicht anders, obwohl sich Ramona Hofmeister (25), Melanie Hochreiter (25) und Carolin Langenhorst (26) – alle drei vom WSV Bischofswiesen – im besten Sportlerinnen-»Alter« befinden. Bei Olympia lief's für das Parallel-Trio nicht optimal, darum wäre 2026 freilich noch ein Ziel. Ihr männlicher Teamkollege Elias Huber vom SC Schellenberg ist sogar erst 22. Die Freestyler André Höflich (Halfpipe), Noah Vicktor und Leon Gütl (beide Big Air und Slopestyle) haben aktuell noch Wettkämpfe, konnten nicht nach Berchtesgaden kommen.

Ehemalige Medaillengewinner vor Ort

Als ehemalige Olympia-Medaillengewinner/-innen schauten neben Christa Schmuck, Anja Selbach und Barbara Niedernhuber auch Bob-Anschieber Markus Zimmermann (mit Christoph Langen Vierergold 1998 in Nagano und Zweiergold 2002 in Salt Lake City) sowie das Rodler-Doppel Hans Stanggassinger und Franz Wembacher (Gold 1984 in Sarajevo) vorbei. Ein besonderer Gast war Annemie Schneider aus Bischofswiesen. Die heute 78-Jährige trat Oberschenkelamputiert mit einem Ski und Gehhilfen in allen alpinen Disziplinen bei vier Paralympics an holte dabei fünfmal Gold, insgesamt sogar acht Medaillen. Ihre letzten Spiele waren jene 1994 in Lillehammer, da war sie bereits 51 und holte noch mal Bronze. Gewürdigt wurde zudem die aktuelle Team-Olympia-Silbermedaille der alpinen CDJ-Schülerin Emma Aicher (18). Dominik Schwaiger vom WSV Königssee war bei der Abfahrt gestürzt.

Alle Sportler schritten an einem Spalier der Berchtesgadener und Königsseer Nachwuchsrodler/-innen vorbei und durften bei Moderator Wasti Rasp eine gelbe Kugel ziehen. Darin befanden sich attraktive Preise der Sponsoren: Wellness-Aufenthalte in Hotels, Tickets für Konzerte, Golfturniere, Bundesliga-Basketball- und Fußballspiele. Mit einem Essen und Musik klang der Abend gemütlich im AlpenCongress aus. Die Sport-Gala soll nach zweijähriger Pandemie-Pause heuer wieder stattfinden – ein Tag im September ist vorgesehen.

Hans-Joachim Bittner

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