Damit stieß er bei den Mitgliedern der Partei, die sich seit über 100 Jahren den sozialen Ausgleich als politisches Leitmotiv an ihre Fahnen geheftet hat, auf breite Zustimmung. SPD-Landratskandidat Roman Niederberger sah sich darin bestärkt, auch vonseiten der Kommunalpolitik alles zu tun für bezahlbares Wohnen und bezahlbare Mobilität. »Alle politischen Ebenen, vom Bund über das Land bis hin zu den Landkreisen und Kommunen, müssen gegen die zunehmende gesellschaftliche Ungleichheit ankämpfen – zum einen aus Mitmenschlichkeit, zum anderen aber auch als erfolgreiche Politik gegen die politischen Brandstifter von rechts außen«, forderte er.
Manfred Weber, seit gut zehn Jahren ehrenamtlicher Vorsitzender der »Tafel«, die vor 20 Jahren von Pfarrerin Lieselotte Lindner ins Leben gerufen wurde, berichtete von einer stark gestiegenen Nachfrage. Waren es vor zehn Jahren etwa 100 Bedürftige, die regelmäßig Unterstützung suchten, so ist die Zahl mittlerweile auf 387 gestiegen. Vor allem Rentnerinnen, Alleinerziehende, einkommensschwache Familien und Geflüchtete stellten die Kernklientel dar. Doch trotz der in den vergangenen Jahren gestiegenen Zahl an Migranten und den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine sind zwei Drittel der Hilfesuchenden Einheimische, so Weber. Für eine wirtschaftlich starke Region wie das Berchtesgadener Land spreche diese hohe Zahl an armen Menschen für die zunehmende Einkommens- und Vermögensungleichheit, die nur durch politische Maßnahmen verändert werden könne.
Wer als bedürftig gilt, wird zuvor eingehend, auch unter Vorlage entsprechender Unterlagen, geprüft. Der manchmal geäußerte Verdacht, wonach zu Unrecht Hilfe in Anspruch genommen werde, trifft nach Aussage des Tafel-Vorsitzenden nicht zu. Ganz im Gegenteil gebe es nach wie vor Menschen, die aus Scham auf den Gang zur Tafel verzichteten. Die etwa 40 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sind mit der Annahme, Sortierung und fachgerechten Lagerung der Lebensmittel während der ganzen Woche stark beschäftigt bis hin zur samstäglichen Essensausgabe. Darüber hinaus hilft die Berchtesgadener Tafel mit Geldspenden Bedürftigen auch in unvorhergesehenen finanziellen Notfällen oder durch ein spezielles Einschulungsprojekt mit Schulranzen und weiterem Schulmaterial.
Abschließend nahm der hoch engagierte Tafel-Vorsitzende die Politik in die Pflicht: »Wenn Rentner oder auch Familien zu wenig Geld für den Lebensunterhalt haben, dann stimmt am System etwas nicht.« Denn die Tafel behebe nicht die Ursachen des Problems, sondern kuriere nur die schlimmsten Symptome.
Das nahm der SPD-Ortsvorsitzende Hans Metzenleitner zum Anlass, um auf das »Riesenproblem der zunehmenden Ungleichheit« hinzuweisen, das zur Spaltung ganz wesentlich mit beitrage und auch ein Grund für das Erstarken der rechtsautoritären Kräfte sei. Allein 34 500 Einkommensmillionäre leben in Deutschland – Tendenz weiter stark steigend, ganz zu schweigen von den 256 Milliardären. »Und umgekehrt steigt auch die Armut – und das in einem der reichsten Länder der Erde«, ergänzte Wolfgang Kemmler. Die derzeitige Diskussion um die Abschaffung des Pflegegrads 1 bezeichnete der VdK-Ortsvorsitzende als Schande und ungewollte Wahlhilfe für die Rechtsradikalen.
Die Berchtesgadener Bürgermeister-Kandidatin Kati Huber plädierte für eine Erhöhung des Mindestlohnes, eine höhere Frauenerwerbsquote und die strikte Einhaltung des Tariftreuegesetzes, da Altersarmut immer auch etwas mit geringfügiger Beschäftigung und niedrigen Löhnen zu tun habe. Von verschiedenen Diskussionsteilnehmern wurde immer wieder auf die schwierige Wohnungssituation verwiesen. »Ganz klar«, so der Landratskandidat Roman Niederberger, »es fehlt hinten und vorne an bezahlbaren Wohnungen.« Trotz Wohnbauwerk und Bauaktivitäten in den Gemeinden warteten Hunderte auf eine Wohnung, die nicht die Hälfte des verfügbaren Einkommens verschlingt.
Natürlich gebe es leer stehende Wohnungen und Häuser, fehl genutzte Wohnungen und auch Zweitwohnungen. Wegen der bestehenden Rechtslage sei hier jedoch nicht mit dem großen Durchbruch zu rechnen. »Helfen kann nur der mit geringeren Auflagen verbundene Neubau von Mietwohnungen, die staatlich subventioniert werden«, forderte Niederberger.
Armut werde man nicht auf Null reduzieren können, gab Metzenleitner zu bedenken, aber fast 400 Bedürftige, die auf Nahrungsmittelspenden der Tafel angewiesen sind, seien eindeutig zu viel. Umso wichtiger sei es daher, »unseren guten Sozialstaat zukunftsfit zu halten, aber auch politisch dafür zu sorgen, dass die soziale Ungleichheit nicht weiter zunimmt«. Denn so sehr man sich sonst über Wachstum freue, die Tafel möge nicht mehr wachsen.
Unter großem Applaus dankte der SPD-Ortsvorsitzende Manfred Weber und seinem Team für ihre gesellschaftlich so wertvolle karitative Arbeit für diejenigen, die meist unverschuldet Not leiden in einem wohlhabenden Land. fb